Medialisierungsschub und Grenzen zentraler Mediensteuerung boten Chancen für dezentrale Presse- und Medienarbeit II

Differenzierung und Variation der Medienangebote und ihrer Kontrolle boten Einflussmöglichkeiten für externen Input (Fortsetzung)

Film

Auch im Film lässt sich eine solche Differenziertheit der politisch-ideologischen Instrumentalisierung feststellen:

Die Filmpolitik der Nazis versteckte sich im Kinoprogramm: Kinowerbung. Kulturfilm, Wochenschau und Spielfilm sollten ein Menü aus Unterhaltung und Information sein, um private Mußestunden zur unsichtbaren Erziehung umzufunktionieren. Goebbels hatte vollmundig erklärt, nicht von früh bis spät in Gesinnung machen zu wollen und keine SA-Männer über die Leinwand marschieren zu lassen. Dieses Gelöbnis galt aber nicht für Kulturfilm und Wochenschau: ‚Die Filme teilten sich die Arbeit. Was den Unterhaltungsfilmen an primärer Naziideologie abging, wurden von den Kulturfilmen mehr als wett gemacht.‘

(Day 2004, S. 52, unter teilweiser Bezugnahme auf Goebbels und Zitation von Bitomsky 1983, S. 445)

Hörfunk

Abb.: Ausschnitt des Zeitschriftentitels der Ausgabe 12, 3. Jahrgang (24.2.1933), von „Der Deutsche Sender“, einer u.a. von der NSDAP (Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer e.V.) getragenen Radiozeitschrift. Quelle: Wikimedia Commons, CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/legalcode

Die Nationalsozialisten schätzten den Hörfunk als das „allermodernste“ und „allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument“ ein (Day 2004, S. 41, unter Zitation von Goebbels). Durch die in der Weimarer Zeit primär staatliche Organisation des Rundfunks gelang eine leichte Übernahme.

Allerdings stieß die NS-Diktatur auch auf Schwierigkeiten im Umgang mit dem Radio: a) Es war zu Beginn ihrer Herrschaft noch nicht flächendeckend in allen Haushalten vertreten (deshalb Einführung eines verbilligten „Volksempfängers“). b) Naiven Vorstellungen von einem politik- und ideologielastigen Programm (Übertragung vieler politischen Reden etc.) verweigerte sich das Publikum, nach einer Programmreform traten „Entspannung und Freude“ (insbesondere Musik, vor allem deutsche Tanzmusik; „Bunte Stunden“, Ratschläge, politisch entschärfte Sketche) an die erste Stelle.1

Eine programmatisch zentrale Rolle spielten „reichsweit übertragene Gemeinschaftssendungen und Festakte“ (auch Reportagen vor Ort; „Wunschkonzert“ als entpolitisierte und ideologisch indirekt gelenkte Familiensendung). Ziel war es, durch „simultane Vernetzung verschiedener Räume ein mediales, wenn auch zeitlich begrenztes ‚Wir-Gefühl‘ zu erzeugen“ bzw. eine „virtuelle Volksgemeinschaft“ zu konstruieren“ – und dies alles, „ohne die vertraute häusliche Sphäre verlassen zu müssen“. Dem entgegen kam der „medial(n) Gebrauchswert des Radios“, „das durch den Eindruck des Dabeiseins und Vernetztseins mit dem rasanten Weltgeschehen faszinierte“. (Day 2004, S. 45)2

Teil-Fazit

Daraus hervorgehende Informationsbedürfnisse der Medien nach externen und durchaus differenzierten Informationen und Quellen sowie ihre benötigten Quantitäten mussten die Produzenten von PR-Informationen aus Unternehmen und Organisationen begünstigen und schufen sogar neue Möglichkeiten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Day 2004, S. 43ff.

2 Diese dem Radio zugeschriebenen Potenzen ließen sich weitgehend – ohne den damaligen und NS-Kontext – heute auch für Internet und Online-Medien anführen.