Medialisierungsschub förderte auch wirtschaftliche und unseriöse Verflechtungen zwischen Unternehmen/Organisationen und Medien

Medien- bzw. Kulturindustrie und ihre Publika: attraktiv für sonstige Wirtschaft und Politik

Abb.: Besuch von Reichskanzler Hitler und Reichspropagandaminister Goebbels bei der UFA in den Neubabelsberger Ateliers. Sie besichtigten die Bauten des neuen Films „Barcarole“. „Viel Interesse fand der soeben von der Ufa auf Anregung von Dr. Todt fertiggestellte Reichsautobahn-Film ‚Strasse ohne Hindernisse‘.“ Bearb. Quelle: ursprünglich ADN-Zentralbild, jetzt Bundesarchiv Bild 183-1990-1002-500 / Wikimedia Commons, Attribution-Share Alike 3.0 Germany license (CC-BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Die Ausweitung und Differenzierung des Mediensystems, insbesondere das Auftreten bzw. die Weiterentwicklung neuer Medien (Radio, Film), förderten wesentlich die Herausbildung einer modernen Massenkultur, die Alltag und Freizeit der Menschen zunehmend durchdrang. Sie produzierte Mythen und Stars sowie ihre Publika, faszinierte mit ihrer technisch-medialen Vermittlung und bildete auch themenspezifische Teilöffentlichkeiten. Zusammen mit der Verheißung und teilweisen Erfüllung des Massenkonsums attraktiver Waren und Leistungen entwickelten sich Massenkultur und -medien auch zu einem großen „Geschäft“.

Insbesondere Day 2004 konnte am Beispiel des Kommunikationsfeldes „Automobilrennsport“ zeigen, wie es zur Projektionsfläche für Ziele und Bedürfnisse von Regime und Publikum sowie von Wirtschaft und Konsumenten geriet. Diese Konstellation musste eine Verflechtung von Politik, (Auto-)Konzernen, Kulturindustrie und Medien geradezu vorantreiben.

Mit der Zunahme der ökonomisch-monetären Dimensionen stieg auch der Preis des Zurückbleibens oder Verlierens – dem sollte u.a. mit noch mehr und wirksamerer Werbung begegnet werden. „Werbende Information gab es in unterschiedlichen Graden.“ Eine Art „neutralen Produkt-Placements“ entstand durch das Bemühen der PR-Spezialisten, in den Medien Markenzeichen, Fahrzeuge und Rennfahrer-Stars gut – und besser als die Konkurrenz – zu platzieren sowie die Deutungshoheit zu den jeweiligen Rennsportereignissen zu erlangen.

Auch die Risikobereitschaft und die Akzeptanz unmoralischer Praktiken konnten sich dadurch steigern. Des eigenen Vorteils willen und um der Konkurrenz zu schaden, kamen nicht selten unseriöse Methoden zum Einsatz. Die Forschungslage zeigt einen „Kleinkrieg hinter den Kulissen“, „Scharmützel“ zwischen den Kommunikationsabteilungen der Konkurrenten und es wurde auch „von den Werberessorts und ihren Einflüssen in den Redaktionsstuben“ Druck auf die Medien ausgeübt. (Day 2004, S. 100, 103f.)

Medien im zunehmenden „Verflechtungsdickicht“

Abb.: Auf Pressebällen, hier der von 1934 in Berlin am Zoo, kamen Medien, Politik und Wirtschaft in auch „menschliche“ Fühlung. Vergnügen und Unterhaltung, wohl auch begünstigt durch kulinarische und alkoholische Verlockungen, dürften manche rational begründete Zurückhaltung eingerissen haben. Reichspropagandaminister J. Goebbels (links), Ministerpräsident H. Göring (Mitte), Reichswehrminister W.v. Blomberg (rechts) in doch schon aufgelockerter Stimmung. Von den Damen nicht zu reden. Quelle: ADN-Zentralbild, jetzt Bundesarchiv Bild 183-M0921-500 / Wikimedai Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license (CC-BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Die Medien gerieten dabei in einen „Zangengriff“, der zugleich aber auch Möglichkeiten zum Lockern an der einen oder anderen Stelle bieten konnte:

Die Konzerne versuchten ihrerseits, die Medien als journalistische Werbefläche zu nutzen, wobei sie sich in der Regel auf die Rückendeckung der NS-Motorsportorganisation verlassen konnten. Die wiederum wollte ihre Beteiligung an den Motorsporterfolgen als nationale Großtat in entsprechend chauvinistischer Färbung gewürdigt sehen.

(Day 2004, S. 100)

Umgekehrt waren aber auch die Medien und die Journalisten anfällig für Bündnisse: Nicht in allen Redaktionen bedurfte es der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“, um völkische, vaterländische oder nationalistische Positionen zu verbreiten – diese wurden auch mehr oder weniger freiwillig aus Überzeugung oder Opportunismus vertreten.

Die Arbeitshaltung vieler Autoren, Journalisten und Redakteure war ohnehin wirtschaftlich-pragmatisch geprägt, Berührungsängste gegenüber der NS-Bewegung gab es kaum.

(Day 2004, S. 100f.)

Gerade in Rennsporttexten kam es zu einem breiten Spektrum zwischen „eindeutigen Bekenntnisschriften“ und „einer für das damalige Empfinden ‚normalen‘ nationalistischen Unterhaltung“, zwischen Lobpreisung und sachlich oder unterhaltsam distanzierter Darstellung. Nicht wenige Autoren „changierten“ – je nach Auftraggeber oder Anlass – zwischen verschiedenen Perspektiven und Haltungen, mitunter sogar in ein und demselben Werk. Doppel- oder Mehrfachrollen als „Sportjournalist“, Pressereferent von Industrie- oder Verbandsakteuren und als freier Publizist waren nicht selten. (Day 2004, S. 100f.)

Kritik am Zustand der Medien

Die politisch bedingten Gleichschaltungs- und wirtschaftlich motivierten Rationalisierungsmaßnahmen in der Presse stießen bei den Unternehmenskommunikatoren durchaus auf Kritik: Sie führten zu „einer geistigen Verarmung“ und „schematischen Abdruckerei vorgelegter Texte“. Die Zeitungen „stellen sich auf Nachrichtenbüros und Korrespondenz-Berichte um, verzichten auf Fachschriftsteller“. (Day 2004, S. 107f., unter Verwendung von Originalquellen)

Der Zustand der deutschen Presse insgesamt und das Gros der Journalisten wurde vom Automobilkonzern Daimler-Benz eher schlecht – aber mit Ausnahmen! – eingeschätzt:

Auf den Presseempfängen des Unternehmens hätten sich zahllose ‚Winkel-Journalisten‘ und ‚Presse-Schnorrer‘ getummelt, ‚um sich im Schatten tüchtiger Kollegen (!) auch einige Reklame-Artikel zu holen und mal auf Kosten der Firmen – über die sie hernach ihre unbedeutende Tinte verklecksen – voll zu essen und etwas Anständiges hinter die Binde zu gießen.

(Day 2004, S. 107, nach Originaldokumenten)1

Die dargestellten Verflechtungsbeziehungen und unmoralischen Praktiken, die Kritiken am Zustand des Journalismus – sofern sie berechtigt waren und nicht nur der innermedialen Auseinandersetzung bzw. eigenen Interessensdurchsetzung dienten – dürften ein Grund dafür gewesen sein, dass das NS-Regime die verschiedenen Kommunikationsbereiche gegeneinander abzirkeln wollte (siehe weiter vorn). Der Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, der sich historisch „zwischen“ den älteren und etablierteren Kommunikationsdisziplinen Journalismus und Werbung entwickelte, musste dabei „schlechte Karten“ haben.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 In NS-Blättern wurde sich – unter Verlagerung der Verantwortung auf die PR-treibenden Unternehmen – über solche „Bestechungsversuche“ durchaus entrüstet. Die PR-Leute von Daimler-Benz schlugen daraufhin vor, der Reichsverband der deutschen Presse möge doch von den Fachjournalisten Abdruckbelege einfordern und die „Spreu vom Weizen trennen“. (Vgl. Day 2004, S. 107)