Fach-Wissenschaft(en) und -autoren über PR (I)
Prominenteste Autoren über PR: Hundhausen und Oeckl
Hundhausen
Carl Hundhausen (1893-1977) war schon seit der Zeit der Weimarer Republik und während der NS-Herrschaft in der absatzbezogenen Marktkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen tätig (Dr. Hillers in Solingen, Krupp), besaß langjährige USA-Erfahrungen und reflektierte bereits vor 1945 mit wissenschaftlichem Anspruch über Unternehmenskommunikation und PR.
Seine Publikationen von 1951 über PR als „Werbung um öffentliches Vertrauen“ für Organisationen und von 1957 über „Industrielle Publizität“ als PR prägten das Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit/PR in der jungen Bundesrepublik wesentlich.1 Beeinflusst von den soziologischen Beziehungslehren Leopold von Wieses und Johann Plenges, verstand er PR als angewandte (interdisziplinäre) Geistes- und Sozialwissenschaft (siehe den entsprechenden Beitrag im PR-Museum, aber auch Kunczik/Szyszka 2015, S. 128-130; Kunczik 1993, S. 116-121, sowie Szyszka und Liebert in Szyszka 1997, S. 233-241 und 80-84).
Oeckl
Albert Oeckl (1909-2001) war bereits vor 1945 in der Absatzförderung und Kommunikationsarbeit von Unternehmen (IG Farben) tätig, eher er ab 1950 Öffentlichkeitsarbeit für den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIKT) und seit 1959 für den BASF-Konzern betrieb. Parallel zu seinem Präsidentenamt in der Berufsorganisation DPRG (siehe weiter vorn) ab 1961 und vielfältigen Verbands- und Ausbildungsaktivitäten prägten seine Auffassungen den aufstrebenden Berufsstand in den 1960er-Jahren.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden sie aber erst 1964 mit seinem „Handbuch der Public Relations“, so dass die Wirkungsgeschichte seiner Auffassungen ab Mitte der 1960er-Jahre stattfand (siehe den entsprechenden Beitrag im PR-Museum, aber auch Kunczik/Szyszka 2015, S. 127 und 131f. sowie Szyszka 1997, S. 112-116, und Kunczik 1993, S. 108-116). „Eine stark überarbeitete Fassung kam 1976 unter dem Titel ‚PR-Praxis. Der Schlüssel zur Öffentlichkeitsarbeit‘ heraus“ (Bentele 2000, S. 44).
Hundhausens PR-Verständnis
1951 hatte Carl Hundhausen PR umfänglich als „Werbung um öffentliches Vertrauen“ begründet (vgl. dazu auch in Hundhausen 1957, S. 119).
In seinem Buch von 1957 über „Industrielle Publizität als Public Relations“ gab er eine aus seiner Sicht abschließende Antwort auf die von ihm bereits 1937/38 gestellte Frage, was denn an den „amerikanischen“ Public Relations neu sei. Unter expliziter Zitierung seiner Fachartikel von 1937/38 (in Hundhausen 1957 vor allem auf S. 118f., auch S. 10) spitzte er auf drei Grundaussagen zu:
PR: um Publizität (nicht publicity!), also um öffentlichen Glauben, bemühen
Erstens: „In der jetzt vorliegenden Arbeit begründe ich, dass die beiden Begriffe ‚Public Relations‘ und ‚Publizität‘ synonym sind und gleichgesetzt werden können.“ (Hundhausen 1957, S. 10). Der deutsche Begriff „industrielle Publizität“ habe aber mit der „amerikanischen ‚publicity‘ der zwanziger Jahre, d.h. mit dem Bemühen, ‚aus Schwarz Weiß zu machen‘, nicht das Geringste zu tun“ (S. 114).
Über den Begriff der „Publizität“ stellt Hundhausen vielmehr eine Anschlussfähigkeit der PR-Definitionsproblematik zur „deutschen zeitungswissenschaftlichen Literatur“ und zur „deutschen Publizistik“ (S. 109) her. Unter Berufung auf Karl d’Ester, Otto Groth und Walter Hagemann beschreibt Hundhausen „Publizität“ als „Macht“, die „Zutrauen“ erwecke und „das Ansehen des gemeinen Wesens“ hebe, als „Mittel der heiligen Justiz“ bzw. „Gerichtshof“ der öffentlichen Meinung und also als das, was allgemein geglaubt wird. Dies setze allgemeine Zugänglichkeit und die Fähigkeit, „sich ein Publikum zu bilden“, also ‚persönliche Beziehungslosigkeit‘, voraus. „(D)as Publizitätsprinzip lässt sich mit dem Grundsatz des öffentlichen Glaubens gleichsetzen.“ (S. 110)
Äußerungen in der Öffentlichkeit oder an die Öffentlichkeit sind also frei von allen persönlichen Beziehungen; sie werden nicht an jemand persönlich oder bestimmtes gerichtet. Gerade deshalb müssen diese Äußerungen, wenn sie wirken sollen, der Gesamtheit der Gesellschaft (dem ,Gemeinen Wesen‘) gegenüber des öffentlichen Glaubens würdig sein.
(Hundhausen 1957, S. 110)
Es geht also darum, „sich der Öffentlichkeit zu stellen und sich der Gesamtheit der Gesellschaft gegenüber verständlich zu machen“ sowie um „öffentlichen Glauben“ zu bemühen (S. 114f.).2
PR in den USA sind für Deutschland nur etwas „bedingt (…) Neues“
Zweitens: „Der synonyme Gebrauch der beiden Begriffe ,Public Relations‘ und ,Publizität‘ empfiehlt sich auch deshalb, weil der Begriff ‚Public Relations‘ in Wirklichkeit das aussagt, was für uns in Deutschland nur bedingt etwas Neues ist; die damit umschriebenen Bemühungen von Unternehmungen, Organisationen, Vereinigungen, Regierungen und Einzelpersönlichkeiten sind bei uns unter dem längst bekannten Begriff ‚Publizität‘ auch früher schon angesprochen worden.“ (S. 10)
„Echte PR“ und „echte Publizität“ sind mehr als bloße Kommunikation, es geht um die tatsächliche Politik und Haltung des Unternehmens sowie deren Übereinstimmung mit öffentlichen Interessen
Drittens: Das „bedingt (…) Neue(s)“ an Public Relations mache es aber erforderlich, den „bisherigen Begriff der ‚Publizität‘ insofern (zu) erweitern, als auch hier die ‚Formulierung einer Politik der Unternehmung‘ und die Festlegung einer ‚Haltung der Unternehmung‘ die unabdingbaren Voraussetzungen zu einer echten industriellen Publizität sind.“ (S. 10) Dabei müsse die „bewusste Absicht“ auch in der „inneren Einsicht verwurzelt sein“ (S. 114).
Die alte Vorstellung bestand vor allem darin, sich „nur mit den Mitteln der Äußerungen in der Öffentlichkeit“ zu beschäftigen (S. 110), z.B. mit einfachen Mitteilungen oder bloßen Ankündigungen (S. 119). Sie stellten „keine echten Bemühungen (dar), wirklich ‚öffentlichen Glauben‘ zu gewinnen oder zu einer Haltung der wirklichen Offenkundlichkeit zu kommen. Das aber ist das eigentliche Wesen echter Public-Relations-Bemühungen.“ (S. 110, im Original hervorgehoben) Dabei geht es u.a. um „Verständnis für innere, oft verwickelte Zusammenhänge wirtschaftlicher Dinge“ (S. 119).
Auch die industrielle Publizität amerikanischer Unternehmungen hat nach übereinstimmender Überzeugung derjenigen, die für die ‚Politik‘ einer Unternehmung verantwortlich sind, und derjenigen, die die Äußerungen über diese Unternehmung gestalten oder die diese Politik interpretieren, nur dann einen Sinn, wenn die Haltung der Unternehmung mit den (berechtigten) öffentlichen Interessen übereinstimmt.
(Hundhausen 1957, S. 110)
Damit befand sich Hundhausen in Übereinstimmung mit dem weiter vorn, im ersten Teil, behandelten Soziologen Schelsky, der PR auch weit über Kommunikation hinaus als tatsächliche(s) Haltung/Verhalten begriff.
Der letzte Satz aus obigem Zitat zur „Interessenübereinstimmung“ offenbart aber auch den „Knackpunkt“ vieler PR-Verständnisse, die die Möglichkeit einer solchen Übereinstimmung schlichtweg voraussetzen. Bereits in einer Rezension zu Hundhausens Buch von 1951 hieß es: „Die nach Meinung Hundhausens im tiefsten vorhandene Kongruenz von Arbeiter- und Unternehmerinteresse soll die ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ in die Wirtschaft tragen.“ (Neesse 1956, S. 188).
Das Wesen von PR laut Hundhausen 1957
Das ganze Gewicht der öffentlichen Beziehungen einer industriellen Unternehmung bewusst und verantwortlich zu tragen, die volle Bedeutung der öffentlichen Meinung für sie zu erfassen und zu steuern, und das innere Bewusstsein, diese Beziehungen verantwortlich gestalten zu müssen, um diese Unternehmung zu einer Haltung zu führen, die vor der Gesamtheit der Gesellschaft öffentlichen Glauben verdient – das macht das Wesen von Public Relations und auch der Publizität aus.
(Hundhausen 1957, S. 115)
Anmerkungen
1 Von Hundhausen erschienen 1950 und 1954 auch Publikationen zur Wirtschaftswerbung. 1949 gehörte er zu den Initiatoren des „Zentralausschusses der Deutschen Werbewirtschaft“ (ZAW) und 1959 wurde er in den Vorstand der „Werbewissenschaftlichen Gesellschaft“ gewählt. Auch wenn hier im PR-Museum der Beitrag Hundhausens für eine wissenschaftsnahe Reflexion der PR im Vordergrund steht, sei darauf verweisen, dass er auch einen „betriebswirtschaftlich-pragmatischern Ansatz“ verfolgte und sich „permanent auf der Schnittstelle zwischen Markt- und Umfeldkommunikation“ bewegte. Vgl. Szyszka 1997, S. 236f.
2 Vgl. dazu auch Binder 1983, S. 30ff. Nach Meinung Binders decke Hundhausens „Publizität“ nur die „Sprachrohr-“, nicht aber die „Hörrohrfunktion“ der PR ab (S. 31). Dem können wir nicht folgen. Binder setzt (den deutschen wissenschaftlichen Begriff) „Publizität“ und (den amerikanischen Begriff) „publicity“ gleich, was Hundhausen aber gerade nicht tat und sogar explizit verneinte.