Frühe BRD II
Public Relations in der frühen Bundesrepublik (bis Mitte der 1960er-Jahre): Teil II
Vorbemerkungen zum zweiten Teil
Gliederung der Abhandlung in zwei Teile
Der hier startende zweite Teil setzt die im ersten Teil begonnene Auseinandersetzung mit der PR-Reflexionsgeschichte fort und betrachtet vor allem die ersten Ansätze – zum Beispiel von Carl Hundhausen und mehreren Promovenden – für eine spätere PR-Wissenschaft. Außerdem werden politisch-ideologisch bzw. interessenpolitisch ambitionierte Ansätze – so von Herbert Gross oder die gewerkschaftsnahe PR-Kritik – behandelt.
Ein vorausgehender erster Teil widmete sich vor allem der tatsächlichen Praxis von Öffentlichkeitsarbeit/PR bzw. der PR-Realgeschichte. Außerdem stellte er die PR-Auffassungen führender Soziologen – insbesondere die von Helmut Schelsky – dar.
Stand der fachwissenschaftlichen Beschäftigung mit PR
In der zu Rede stehenden Zeit gab es noch keine „PR-Wissenschaft“. Dass „eine kontinuierlich betriebene PR-Wissenschaft entsteht“, sieht Bentele (1997, S. 166 und 161) in seinem Periodisierungsmodell deutscher Public Relations als ein Merkmal der sechsten Periode an, die er Mitte der 1980er-Jahre beginnen lässt. Spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre sei PR „an den Universitäten (…) ein Thema für Ausbildung und Forschung“ geworden (vgl. auch Bentele/Liebert 2005, S. 229, und Bentele 2013, S. 205).1
Allerdings fanden schon Jahrzehnte früher (auch vor 1945) vereinzelte, von bestimmten Personen (ambitionierte PR-Praktiker, Akademiker verschiedener Disziplinen) verfolgte wissenschaftliche oder wissenschaftsnahe Aktivitäten bzw. Institutionalisierungsversuche eines konzeptionell-programmatischen Fach-Diskurses statt. Dies firmierte nicht unbedingt unter „PR“, explizit aber schon in den 1950er-Jahren. Weiter vorn, im ersten Teil, hatten wir auf die soziologische, betriebssoziologische sowie betriebswirtschaftliche Beschäftigung mit PR hingewiesen.
Auch lassen sich mehrere Dissertationen explizit über PR nachweisen. Promovenden meist an wirtschafts- (bzw.: und sozial-) wissenschaftlichen Fakultäten beschäftigten sich mit PR des Industriebetriebes bzw. in der Wirtschaft. Sie verfolgten meist einen primär soziologischen Ansatz unter Bezugnahme auf die „industrielle Gesellschaft“, behandelten „öffentliche Beziehungspflege“ und/oder (betriebliche) „Partnerschaftspflege“ insbesondere zwischen „Sozialpartnern“ (dazu unten mehr).
Das Interesse am „Industriebetrieb“ ist nachvollziehbar, stellt er doch die wichtigste Einrichtung der industriellen Gesellschaft dar (vgl. auch Binder 1983, S. 7ff.).
Anmerkungen
1 In den USA existiere „eine ernst zu nehmende PR-Forschung schon etwa zwanzig Jahre länger als in Deutschland“ (Bentele 1997, S. 140; vgl. auch Bentele/Liebert 2005, S. 222).
Vgl. auch Rühl: „Public Relations (PR) alias Öffentlichkeitsarbeit war – von wenigen Ausnahmen abgesehen –für die deutschsprachige Publizistikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg keine ernstzunehmende Lehr- und Forschungsproblematik (vgl. Haacke 1957; 1969; Löckenhoff 1958; Dovifat 1963; ein erster begriffshistorischer Überblick: Scharf 1971). Die Publizistikwissenschaft, die sich damals als normative Wissenschaft restaurierte (Dovifat 1955), sah ihren Gegenstand, die Publizistik, wesenhaft, und zwar als ein geistiges Einwirken mit Gesinnungskräften einzelner auf das Tun und Handeln der Öffentlichkeit (Dovifat 1971, S. 5).“ (Rühl 1995, S. 297)