Nationalsozialistische „Modernisierung“ von Kommunikation II

Primat und Exklusivität nationalsozialistischer, politisch-ideologischer Propaganda durften durch Wirtschaftskommunikation nicht gefährdet werden

Professionelle Vorbildwirkung politisch-staatlicher Propaganda für persuasive Kommunikatoren

Bei aller grundsätzlich „modernen“ Einstellung zu (persuasiver) Kommunikation und Medien – am wichtigsten war für die Nationalsozialisten die Absicherung der Wege und Wirkungen ihrer politisch-weltanschaulichen und staatlich-nationalen Propaganda. Dies schloss die grundsätzliche Kontrolle über das (journalistische) Mediensystem ein, aber auch das Ziehen von Grenzen für unternehmerische und kommerzielle Kommunikation, einschließlich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen. Das Primat für die eigene Propaganda dürfte auch dazu geführt haben, Professionalisierung und Verwissenschaftlichung eines spezifischen Berufs- und Tätigkeitsfeldes der Unternehmens- und Organisationskommunikation (einschließlich ihrer stärkeren Ausdifferenzierung aus der Werbung) nicht gerade zu fördern.

Abb.: Eine Melange von einerseits eigener Überzeugung, Bereitschaft – und auch Profitgier – der Unternehmen und andererseits Verlockung oder Druck – und auch das Ausleben eines totalen Gestaltungswillens – durch das Regime haben eine letztlich verhängnisvolle Verquickung unternehmerischer und staatlicher-politischer Interessen und Potenziale befördert. Dies ist aus heutiger Sicht kritisch zu beleuchten, wie dies auch in der Presse geschieht. Hier ein Beispiel für Auseinandersetzung mit kritischer Firmengeschichte, das nicht nur im Neuen Deutschland (6.4.2005) öffentliche Beachtung fand.

PR-Praktiker, Unternehmens- und Verbandskommunikatoren schauten durchaus erwartungsvoll bis bewundernd auf die Propagandatätigkeit und -erfolge der NS-Bewegung. Sie glaubten, dass die hohe Wertschätzung persuasiver Kommunikation zu ihrer eigenen Aufwertung führen würde, und versuchten, von Strategien, Techniken und Organisationsformen der NS-Propaganda zu lernen. Dies konnte einschließen, den bereits vorher auch für kommerzielle Kommunikation durchaus gebräuchlichen Propaganda-Begriff verstärkt zur Bezeichnung eigenen Tätigkeit zu nutzen.

Propaganda versus Werbung

Entgegen solcher Erwartungen verwies der NS-Apparat die Wirtschafts- und anderen Organisationsakteure auf ihre (nachrangigen) Plätze. „Propaganda“ sollte nach Möglichkeit als Begriff für NS-Kommunikation reserviert sein. Insbesondere wurde eine begriffliche Trennung von (politischer) Propaganda und (wirtschaftlicher) Werbung befördert.1 Allerdings geschah dies bestimmend nicht schon 1933, wie in mancher Sekundärquelle behauptet wird (z.B. Schmitz-Berning 2007, S. 479). Zwar ist es richtig:

Mit dem nationalsozialistischen Gesetz zur Wirtschaftswerbung vom 12. September 1933 wurde die Bezeichnung ‚Wirtschaftswerbung‘ für jegliche wirtschaftliche Anpreisungen eingeführt

(Rücker 2000, S. 22).

Abb.: Wie diese Publikation von Hermann Canzler aus dem Jahre 1935 (Ausschnitt aus Titel) zeigt, wurde noch lange nach 1933 auch von Wirtschaftswerbung als „geschäftlicher Propaganda“ gesprochen.

Primäres Ziel dieser Begriffssetzung war aber nicht eine Verdrängung des Propaganda-Begriffes aus der Wirtschaft, sondern der „negativ behaftete(n) Bezeichnung Reklame“, die zudem als spezifisch „jüdisch“ diffamiert wurde (Rücker 2000, S. 83. Vgl. auch Sösemann 2011 Bd. 2, S. 1169). So gibt es denn auch in den nächsten Jahren noch genügend Belege für eine Verwendung des Propaganda-Begriffes in wirtschaftlich-unternehmerischen Kontexten (z.B. als Bezeichnung für Abteilungen od.Ä.).

Erst 1937 sprach der Werberat der deutschen Wirtschaft ein Verbot zur Verwendung des Propaganda-Begriffes in der Wirtschaft aus. In Lexika der Jahre 1940 und 1941 wurde dies so übernommen (Schmitz-Berning 2007, S. 479). Damit war dann auch eine mögliche Verwendung des Propaganda-Begriffes für eine systematische und strategische Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen – was sich in den 1920er-Jahren als eine Tendenz gezeigt hatte – abgewürgt.

Schutz der national-politischen Symbole

In diesem Zusammenhang ist auch das „Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole“ vom 19. Mai 1935 zu nennen. Mit ihm sicherten sich die Nazis ein „exklusives Verfügungsmonopol über Symbole und signifikante Begriffe“. Es sollte insbesondere Wirtschaft und Werbeindustrie daran hindern, sich frei an den NS-Zeichen zu bedienen (Day 2004, S. 51. Vgl. auch Rücker 2000, S. 184).

Abb.: Zwischen Mercedes-Benz und dem „Führer“ Adolf Hitler bestand eine durchaus innige Beziehung. Beide Seiten setzten auf einen gegenseitigen Imagetransfer. Das Foto zeigt Reichskanzler Hitler auf einer Fahrt mit einem Mercedes-Benz zur Vorbereitung des Münchner Abkommens, hier in Bad Godesberg, am 22.9.1938. Quelle: ADN-Zentralbild, jetzt Bundesarchiv Bild 183-H12705 / Wikimedia Commons, Attribution-Share Alike 3.0 Germany license (CC-BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Zumindest von Großkonzernen, wie Daimler-Benz, wurde das Gesetz aber nur bedingt befolgt.

Das Gesetz ist ein Ausdruck des Dilemmas, vor dem jede wirksame propagandierende Bewegung steht:

Einerseits zeigt es den Erfolg der weltanschaulich-politischen Propaganda, wenn deren Symbole, Begriffe und Designs in die „alltägliche Zeichenwelt“, in Wirtschaft und Kultur eindringen und eingehen. Andererseits wird mit einer solchen Zeichen-Inflation das Einzigartige, das Markante, der „hehre Habitus“ dieser Propaganda ad absurdum geführt. Was bis hin zur Lächerlichkeit und zu gegenteiligen Wirkungen führen kann, wenn beispielsweise „Hitlers Kopf aus Schweineschmalz geformt wurde oder Sofakissen und Bierseidel zierte“ (Day 2004, S. 51).

So verwundert es nicht, wenn das Regime den Propaganda-Begriff ausschließlich positiv verwendet wissen wollte. Insbesondere in den 1940er-Jahren – im Zusammenhang mit Kriegsereignissen – musste mehrmals auf den Grundsatz verwiesen werden:

Propaganda nur dann, wenn für uns, Hetze (oder Agitation, Kampagne – T.L.), wenn gegen uns.

(Schmitz-Berning 2007, S. 480. Vgl. auch Sösemann 2011 Bd. 2, S. 762)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Liebert 2003, S. 115-117.