Steybe 1958 (II)

Begriffliche Klärungsversuche: Public Relations

Im Kern seiner Begriffsdiskussion steht „Public Relations“. „Eine der besten amerikanischen Definitionen scheint uns die von Edward L. Bernays (…) zu sein“ (S. 35):

The term ‚public relations‘ as used in this book … has three meanings: (1) information given to the public, (2) persuasion directed at the public to modify attidudes and actions, and (3) efforts to integrate attitudes and actions of an institution with its publics and of publics with that institution.

(Bernays 1952: Public Relations, S. 3, zit. nach Steybe 1958, S. 35)

Für Deutschland resümiert der Autor:

In Ermangelung eines in allen Teilen befriedigenden deutschen Ausdrucks für Public Relations glauben wir, dass ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ am ehesten das trifft, was ‚Public Relations‘ meinen. Im Übrigen sind wir der Ansicht, den Ausdruck Public Relations durchaus beibehalten zu können.

(Steybe 1958, S. 25)

Dabei versucht Steybe auch, die PR von Konkurrenzbegriffen wie „Publizität“ oder „Good Will“ abzugrenzen. Erstere sei nur dann PR, wenn die „industrielle Publizität mit den Prinzipien der Offenkundigkeit und Offenlegung übereinstimmt“. Zweiteres sei ein Ziel von PR (S. 27).

PR – Reklame / Werbung – Propaganda

Abb.: Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der Dissertation von Steybe 1958. Neben dem Zusammenhang von Public und Human Relations akzentuiert der Promovend u.a. die Verhältnisse von PR zu Propaganda, Werbung bzw. Reklame.

„Für Propaganda, innerbetriebliche, Absatz- und versteckte Werbung“ (S. 33) oder – wie es an anderer Stelle heißt – für „Propaganda, Reklame und Werbung“ (S. 56) – die also Steybe von PR differenzieren will – würden „vielfach die gleichen Mittel eingesetzt“ wie für PR. Ihm käme es aber „weniger auf die Technik“ an „als auf Inhalt, Anliegen, Zielsetzung und Wesen der Öffentlichkeitsarbeit“ (S. 33). Für ihn sind PR:

Richtig verstandene Public Relations sind der Ausdruck einer echten Verantwortung und Verpflichtung des Unternehmens gegenüber der Allgemeinheit. Sie sind darauf ausgerichtet, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen. Public-Relations-Arbeit erfordert: Einsicht in die Belange der Allgemeinheit und damit aktive Mitarbeit am Gemeinwohl; fortwährendes Bemühen, innerhalb des Unternehmens eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens herzustellen; Wahrheit, Offenheit und Ehrlichkeit; sachgemäße Information nach innen und außen.

(Steybe 1958, S. 33f.)

Mit Propaganda (S. 56ff.), Reklame (S. 60ff.) und Werbung (S. 62ff.) beschäftigt sich Steybe auch begriffshistorisch und referiert danach verschiedene Sichten zum Verhältnis von „Vertrauens- und Absatzwerbung“ (S. 64ff.) sowie von „Public Relations und Verkaufsförderung“ (S. 74ff.). Diese Diskussionen führen nicht unbedingt zu klar abgrenzenden Definitionen, mit Blick auf die betriebliche Praxis werden auch Synergieeffekte erwähnt. Steybes vorrangiges Argumentationsziel besteht eher darin, über teils auch vage Unterscheidungsmerkmale deutlich zu machen, dass Public Relations eben nicht identisch mit Werbung (und Propaganda) sind. Folgende Aussagen illustrieren dies:

Werbung kann durch Public-Relations-Arbeit weder ersetzt noch abgelöst werden. Dies geht schon aus den verschiedenen Blickrichtungen und Zielen der beiden Bereiche hervor (…).

(Steybe 1958, S. 63)

.

(…) Absatzwerbung ist mehr materiell, die Public-Relations-Arbeit mehr geistig orientiert. Hier geht es um eine Leistung, um ein Produkt, dort um die Haltung des Unternehmens.

(Steybe 1958, S. 67)

(Unternehmerische) PR ist nicht (politische) Propaganda

Abb.: Wirtschaftliche und staatliche Akteure. Staatspräsident von Togo, Olympio, zu Besuch bei der Firma Krupp, Essen, Villa Hügel, 1961. Rechts Alfried Krupp zu Bohlen und Halbach. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F010290-0005 / CC-BY-SA. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Bezüglich der Propaganda und ihrem Verhältnis zur PR lässt Steybe einiges in der Schwebe, bezeichnet es aber zugleich als „eine Frage sui generis“ (S. 59). Grundsätzlich entwickelt er ein durchaus differenziertes Verständnis von dieser „Frage“, wenn er beispielsweise zum Verhältnis Propaganda-PR schreibt: „Eine relativ oberflächliche Gegenüberstellung hie Diktatur-dort Demokratie trifft den Kern der Sache nicht.“ (S. 58) Für seine Dissertationsschrift löst er das Problem formal-subsystemisch (Wirtschaft vs. Politik) und damit durchaus „scharf“:

Wir trennen den Begriff Public Relations von Propaganda scharf und meinen in den Fällen, in denen wir Public Relations erwähnen, auf keinen Fall politische Public Relations oder politische Meinungsbildung.

(Steybe 1958, S. 59)

Für Steybe scheint diese Abgrenzung aber auch normativ wichtig zu sein, um das Konzept der PR als Pflege partnerschaftlicher Beziehungen vor ideologischem Verdacht vonseiten der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie zu schützen. „Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens ist es nicht, gegen die Organisationen der Arbeitnehmer anzutreten und noch so begründete und berechtigte Forderungen politischer Parteien zu unterstützen.“ (S. 105) Die praktische PR in der damaligen Bundesrepublik gab für Steybes Hinweis auf politische Enthaltsamkeit durchaus Anlass. Dies belegen zitierte zeitgenössische Stimmen (S. 105ff.) und ihre Vehemenz. Als Beispiel:

Public Relations sind kein sozialpolitisches Kampfmittel. Werden ihre Mittel und Methoden einmal als solches eingesetzt, um einer Gruppe zu politischen Zwecken eine bessere Resonanz in der Öffentlichkeit  zu verschaffen, dann reagiert die Gegenseite meistens mit ähnlichen Mitteln. Das führt dann zu polemischer Propaganda, die nichts zu tun hat mit dem wahren Ziel der Public Relations ‚im Dienst an der Gemeinschaft‘.

(H.F.J. Kropff: Public Relations. In: Die Anzeige. Jg. 1956 Heft 2. S. 82. Zit. nach Steybe 1958, S. 105)

Autor(en): T.L.