Ludemann 1952 (II)

Soziologische Ausgangspositionen: Beziehungen und Partnerschaft

Ludemann steigt am Anfang seiner Arbeit mit der Argumentation ein, dass Wirtschaft bzw. Betrieb mehr seien als nur Maschine bzw. Technik. Er beschreibt das „betriebliche Leben“ als „verwobenes Geschehen“, das „als physischer, psychischer und sozialer Zusammenhang besteht“. Der Betrieb ist „Wirtschaftseinheit und zwischenmenschliches Gebilde“ (S. 1). „Als Gebilde (…) bestehen die Betriebe aus Personen, die in wiederholten Wechselwirkungen mit Fabrikgebäuden, Werkzeugen, Kollegen und Leitenden gewisse Vorstellungen einer Zusammengehörigkeit gewonnen haben.“ (S. 2ff.)

Menschliches Leben vollziehe sich im „Dreieck“ von „Sachen“, „Einzelmensch“ und Menschenvereinigungen“ (S. 13). Die Wechselwirkungen in diesem Dreieck werden von den „menschl[ichen] und sachl[ichen] Situationen“ sowie den „Persönlichkeitsstrukturen“ („menschliche Gemeinsamkeiten“ und „einzelmenschl[iche] Besonderheiten“) beeinflusst und finden v.a. in „Gebildeordnungen (Sozialordnungen)“ statt, also z.B. in „Betrieben“ im Bereich der Wirtschaft. Daraus erwachse auch die „Notwendigkeit der Partnerschaft“ (S. 13).

Ludemann versucht dabei auch, die Besonderheiten des „Gebildes Betrieb“ herauszuarbeiten. Als Beispiel:

Nun entstehen Betriebe nicht genau wie Gruppen. Sie bringen u.a. keinen solchen Geist der Zusammengehörigkeit auf. Letzten Endes müssen sie sich nach den Anschauungen nicht nur eines, sondern vieler Kreise von Partnern richten. Außerdem sind sie mehr an sachliche Gegebenheiten gebunden; teure Anlagen z.B. lassen sich nicht einfach beiseiteschieben.

(Ludemann 1952, S. 10)

Vereinigung von Beziehungssoziologie und Sozialpsychologie

Abb.: Titel einer Monografie von Tobias Liebert zur Entstehung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Covergestaltung: Mark-Steffen Buchele. Vgl. dort S. 111ff.

Terminologie und zitierte Quellen zeigen den Einfluss der Beziehungssoziologie Leopold von Wieses, der bekanntlich auch Carl Hundhausen inspirierte.1 Und dieser Einfluss kommt auch explizit zum Ausdruck:

(…) das letzte Ziel der Partnerschaftspflege, wenn es mit von Wiese gesehen wird, (besteht darin) eine möglichst gute Abstimmung von Individuen, Mehrschaften und materiellen Dingen (zu) sein.

(Ludemann 1952, S. 14)

„Partnerschaft pflegen“ bedeute, „alle Menschen, die das Unternehmen inner- wie außerhalb seiner Produktions- oder Handelsstätte als zu seinem Zusammenhang gehörig ansieht, nach ihren Kreisen mitwissen, mitplanen und mitwirken, sie teilnehmen oder teilhaben lassen. Dieses Teilhaben (participation) kann (…) ein geistiges und ein materielles sein.“ (Ludemann 1952, S. 20. Herv. im Original).

Die „Öffentlichkeit des Betriebes“ könne als „die Gesamtheit der inneren und äußeren zwischenmenschlichen Wechselwirkungen“ verstanden werden, „in die eine Fabrik oder eine Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt (…) verwoben ist“. (S. 24f.)

Bei einer derartigen Fassung werden die soziologische und die sozialpsychologische Betrachtung vereinigt. Denn die Soziologie sieht den betrieblichen Zusammenhang vor allem nach den äußeren Verbindungen der Partner, die sich in Gebilden erkennen lassen. Die Sozialpsychologie wiederum nimmt mehr die inneren Beziehungen unter die Lupe, die sich in wie zwischen den Gebilden zu Einstellungen oder Haltungen entwickeln können (…).

(Ludemann 1952, S. 25)

Hinzuziehung der Betriebswirtschaft: Öffentlichkeit und Markt

Eine rein soziologische und sozialpsychologische Betrachtung werde aber den Besonderheiten des „Betriebes“ nicht gerecht, weil die „sachlichen Faktoren“ leicht unterbewertet werden können. Deshalb werde der Begriff Öffentlichkeit in dieser Arbeit „um den ‚Markt‘ ergänzt, der mehr den Zusammenhang von Personen und Gütern unterstreicht. „Dann befassen sich der Markt hauptsächlich mit dem Umsatzgeschehen, die Öffentlichkeit mit allem zwischenmenschlichem Leben“. (S. 26 – Herv. im Original)

Damit vollzieht Ludemann seine beabsichtigte Integration der soziologischen, sozialpsychologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweisen. Seine Dualität von Öffentlichkeit und Markt als relevante ‚Handlungs- und Kommunikationswelten‘ von Unternehmen findet sich auch in vielen späteren Arbeiten anderer Autoren wieder.

Differenzierungen der Partnerschaftspflege: Dialoggruppen-Management und Produkt- vs. Öffentlichkeits-Kommunikation

Abb.: Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der Dissertation von Ludemann 1952, der einige (nicht alle) der von ihm unterschiedenen „Partnerschaftspflege-Arten“ zeigt.

In seinem eher auf Anwendung orientierten Hauptteil (S. 49ff.) breitet Ludemann (1952) u.a. „Arten“ der Partnerschaftspflege aus. Obwohl das aus heutiger Sicht alles etwas sperrig klingt, ist es sehr systematisch entwickelt: Mitarbeiter-Partnerschaftspflege, Gewinnanteils- und Schuldverschreibungsinhaber-Partnerschaftspflege, Konsumenten-Partnerschaftspflege, …, Gewerkschafts-Partnerschaftspflege, …, Erziehungsinstituts-Partnerschaftspflege, …, „die Publizitätsinstituts-Partnerschaftspflege (press, film, radio, television relations)“ (S. 120f.) usw. usf.

Damit legt Ludemann eine sehr differenzierte Analyse von Teilöffentlichkeiten bzw. Dialoggruppen der Unternehmenskommunikation vor, die er mit dem konzeptionell-strategischen Arbeitsprozess („Erkundung“ – Planung“ – „Durchführung“) verbindet. In heutigen Worten gesprochen entwickelt der Doktorand ein gut begründetes Dialoggruppen- bzw. Beziehungsmanagement.

Darunter finden sich dann weitere interessante Anwendungen seiner theoretischen (beziehungssoziologischen) Grundpositionen, z.B. die Differenzierung von „Gutwerbung“ und „Gebildewerbung“ – ausgehend vom Unterschied zwischen „Gütern“ (Produkten) und „Gebilden“ (Organisationen) (S. 98f) und passend zur Dualität von Markt und Öffentlichkeit. Die Gutwerbung ziele auf die „Förderung des Absatzes“, die Gebildewerbung auf die „Förderung der Mitarbeit (im betrieblichen Zusammenhang)“ bzw. „institutionelle Werbung“ (S. 102).

„Werbung“ fasst Ludemann – neben „Leitendenverhalten“ und „Ausbildung“ – als ein Mittel der „Durchführung“ von Partnerschaftspflege auf. Ein viertes Mittel bestehe in „Publizität“, womit sich der nächste Unterabschnitt beschäftigt.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Liebert 2003, S. 111ff. Auch Liebert in Szyszka 1997, S. 82f.