Steybe 1958 (I)
Vorbemerkungen
Hans Steybe – Pfarrersohn1 und seit 1953 Fachmann für Verkaufsförderung und Pressearbeit einer Metallwarenfabrik – legte 1958 eine über 300-seitige, noch klassisch-maschinenschriftliche Dissertationsschrift vor, die das Phänomen PR breit, auch historisch, beleuchtete und auf einer umfangreichen Literatursichtung beruhte. Steybe (1958) fokussiert dabei auf PR in Wirtschaftsunternehmen. Er sieht sie als „eine Funktion der Unternehmensleitung“ (S. 81ff.) bzw. als „Führungsaufgabe“ (S. 283) an. Die Entwicklung der PR in (West-) Deutschland sei noch im Fluss, eine „Klärung der vielschichtigen Probleme bahnt sich aber schon an“ (S. 284).
Steybe führt an mehreren Stellen mannigfaltige Begriffsdiskussionen, auch zu solchen Basis-Termini (S. 86ff.) wie Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, Masse etc. „Das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen ist das Ziel aller Bemühungen auf dem Sektor der Public Relations.“ (S. 283) Abgesehen von den terminologischen Bemühungen spannt er den Bogen von einer theoretisch-systematischen Herangehensweise bis zur Darstellung von Mitteln und Methoden der PR (S. 149ff.) einschließlich einer Problematisierung des Verhältnisses Presse und Wirtschaft (S. 157ff.) sowie der Betrachtung zweier industrieller Spitzenverbände.
Soziologisches Verständnis von Beziehungen zwischen Sozialpartnern
Theoretisch wird ein primär soziologisches Verständnis von Public Relations deutlich. PR sieht Steybe übrigens auch in engem Zusammenhang mit Human Relations (S. 4, 36ff.)2 und als Teil menschlicher Beziehungspflege, insbesondere zwischen „Sozialpartnern“ (S. 10). Dabei wendet er sich nicht nur gegen den Versuch, „Public Relations lediglich als ein Mittel der Reklame“, sondern auch dagegen, sie „als ein gegen die Gewerkschaften gerichtetes Instrument der Unternehmer darzustellen“ (S. 43).
Das Verhältnis von „Sozialpartnerschaft“ und „Klassenkampf“ war ein seinerzeit viel diskutiertes Thema und erklärt auch die damalige kritische Haltung der Gewerkschaften gegenüber PR. Auch wenn es „heute kaum mehr“ ein „Klassenkampf im früheren Sinne“ (S. 48) sei, so diagnostiziert Steybe doch für die damalige westdeutsche Bundesrepublik eine allgemeine „Vertrauenskrise“ (S. 46ff.).
Große Teile der Arbeitnehmer stehen trotz aller Vorteile, die ihnen die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre geboten hat, sowohl der Wirtschaftsordnung als auch den Unternehmensleitungen und den freiwilligen sozialen Leistungen nicht nur kritisch, sondern oft sogar misstrauisch gegenüber.
(Steybe 1958, S. 46)3
Anmerkungen
1 Steybe, geboren 1924, verbrachte seine Kindheit teilweise in Chile, wo sein Vater kirchlichen Dienst versah. 1937 kehrte er allein nach Deutschland zurück, um seine Ausbildung fortzusetzen. 1942 musste er zur Luftwaffe, war Jagdflieger und geriet kurzzeitig in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Von 1945 bis 1950 studierte er in Tübingen und Zürich evangelische Theologie. 1950 wechselte er aber das Studienfach und wurde im Herbst 1953 an der Universität Tübingen Diplom-Volkswirt. (Steybe 1958, S. 325, Lebenslauf) 1970 war ein Dr. Hans Steybe Vorstandsmitglied bei der Firma Braun. Vgl. http://www.hifimuseum.de/braun-bilanz-1970.html (Abruf Februar 2020)
2 Zu Human Relations vgl. auch Kunczik 1993, S. 24ff.
3 Steybe (1958, S. 48) bringt in einer Fußnote folgendes Zitat: „Ideologien, ganz gleich welcher Art, sind bei der jungen und mittleren Generation nicht mehr gefragt … trotzdem gibt es auch heute noch einen ‚Klassenkampf‘ … Er richtet sich nicht gegen den Eigentümer der Produktionsmittel, sondern ganz allgemein gegen ‚die da oben‘. ‚Die da oben‘ … das sind aber auch die Bürokraten der oberen Stufen, die Funktionäre der Verbände, der Gewerkschaften, der Parteien.“ ([Der] Volkswirt 1956. Spannungsfeld … S. 11)