Löckenhoff 1958 (II)
Funktionen der Public Relations
Die PR erfüllt „Integrationsfunktionen“ (überbrückende Funktion, gemeinsame Basis ausbauen, Kontaktfunktion) (S. 37). „(N)icht einseitige Kundgabe industriebetrieblicher Wünsche und Gesinnungen“ sei PR, sondern: „Sie ist notwendige Zwiesprache zwischen Industriebetrieb und Öffentlichkeit, muss den Finger am Pulsschlag der öffentlichen Meinung haben.“ (S. 92) In seiner Literaturbestandsaufnahme zitiert Löckenhoff u.a. aber auch Bronson, der PR als eine „neue Form des sozialen und politischen ‚engineering‘“ (S. 69) betrachtet. Public Relations seien „bestrebt, auf die menschlichen Bestrebungen in der Wirtschaft etwas anzuwenden, das sich mit der Kenntnis des Ingenieurs von Spannungen und formenden Kräften vergleichen lässt (…)“ (S. 69).
PR sei publizistisch eine „Sonderform der geistigseelischen (sic!) Einflussnahme“, aber nach Löckenhoff mehr als nur in Form „begrenzter Einzelaktionen, denen ein nur ins Öffentliche gesteigertes, letzten Endes jedoch privates Sonderinteresse (Dovifat) zugrunde“ liegt (S. 10).
Wir betrachten hier Public Relations global als werbende Beeinflussung, die von der Industrie als sozialer Gruppe bzw. ihren Spitzenverbänden und ihren Mitgliedern ausgeht und sehen so in ihnen eine im strengen Sinne öffentlich bedingte und bewirkte publizistische Erscheinung.
(Löckenhoff 1958, S. 10)
Akteure der Public Relations
PR können aber auch von anderen „sozialen Gruppen“ bzw. „Gruppen öffentlichen Charakters“ (Parteien, staatlichen Behörden etc.) betrieben werden (S. 16). Public Relations seien Ausdruck „einer bestimmten sozialethischen Haltung“, eine nach Paul Garett „grundsätzliche Geisteshaltung (..), die bewusst und bei wohlverstandenem Eigeninteresse dem Nutzen der Öffentlichkeit den ersten Platz einräumt.“ (S. 17) Sie können auch als Versuch verstanden werden, „Gruppenideologien und -egoismen unnötige Schärfe zu nehmen und die wirtschaftlich bedingte Gruppenrivalität auf ein vertretbares Maß zurückzuführen.“ (S. 27) Öffentliche Meinungs- und Beziehungspflege nehme also, „und das ist das Entscheidende, eine Sonderstellung insofern ein, als (…)“
(…) sie nicht das Entgegengesetzte der Ansichten und Interessen, sondern das Gemeinsame betont, den Gedanken einer sozialen Partnerschaft und eines kampflosen Interessensausgleichs vertritt, der auf einer gegenseitigen Verständnisbereitschaft aufbaut. Dass sie dabei selbst ideologische Momente enthält, ergibt sich von selbst. Schließlich ist schon ex definitione keine Ideenwerbung ohne einen entsprechenden Anspruch denkbar. Das gilt auch für Public Relations. Die Art der von ihnen vertretenen Ideen schließt jedoch, wenn wir hier von (…) Entartungen absehen, ihre integrative Funktion nicht aus. Dahinter stehende Sonderinteressen mögen sie abschwächen, widersprechen ihr jedoch nicht grundsätzlich.
(Löckenhoff 1958, S. 33)
Für den Industriebetrieb gehe es darum, „über geistigseelische Einflussnahme um Verständnis und Anerkennung (…) zu werben und auf diesem Wege zu einer besseren Anpassung von Industriebetrieb und Öffentlichkeit zu gelangen“ (S. 74).
Als Versuch, sich so mit der Öffentlichkeit zu identifizieren, ist es zu werten, wenn der Industriebetrieb seine Eigenschaften als soziale, volkswirtschaftliche und öffentliche Einrichtung hervorhebt. Auf Identifikation zielt es ab, die betriebliche Leistung als soziale Leistung hinzustellen, und weiterhin betriebliche Funktionen und Interessen als im Sinne der Gesamtgesellschaft liegende Funktionen und Interessen auszugeben. Der Identifikation dient es schließlich, eine hohe betriebliche Rentabilität mit dem Wohle der Allgemeinheit gedanklich zu verbinden.
(Löckenhoff 1958, S. 75)
Praktische Erscheinungsformen der PR in der Bundesrepublik der 1950er-Jahre
In der zeitgenössischen deutschen Bundesrepublik würden Public Relations „in den letzten Jahre verstärkt“ von Kreditinstituten betrieben (S. 141). Die „Vertrauenswerbung der Industrie“ sei weniger deutlich als PR erkennbar. „Der Public-Relations-Charakter vieler in erster Linie der Wirtschaftswerbung dienender Anzeigen ist jedoch nicht zu übersehen.
Ein gutes Beispiel für Public Relations der Verbände bietet die im Oktober 1957 in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ erschienene ‚Erklärung‘ des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau zur Erhöhung der Kohlenpreise.
In der breitesten Öffentlichkeit und am nachhaltigsten bekannt geworden sind – neben den Veröffentlichungen der ‚Waage‘ – die publizistischen Aktionen des Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard. Genannt seien nur seine ‚Psychologische Konjunkturpolitik‘, seine Versuche, mit Hilfe der Öffentlichkeit die Preise niedrig zu halten, und seine öffentlichen Stellungnahmen zu aktuellen Wirtschafts- und sozialpolitischen Problemen im Zusammenhang mit Streiks, insbesondere zum Metallarbeiterstreik in Schleswig-Holstein im Februar 1957.“ (Löckenhoff 1958, S. 142)