Löckenhoff 1958 (I)

Vorbemerkungen

Abb.: Auszug aus dem Lebenslauf zur Dissertation von Löckenhoff 1958, S. 164. Die Dissertation ist u.a. in der Universitätsbibliothek Leipzig vorrätig.

Der Düsseldorfer Kaufmannssohn und Diplom-Kaufmann Helmut Löckenhoff, geboren 1932, war Doktorand an der Freien Universität in (West-) Berlin.1 Er promovierte 1958 beim Soziologen Otto Stammer, unterstützt wurde er auch vom Publizistik-Professor Emil Dovifat und von Friedrich Bülow, erster Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Löckenhoffs Dissertation von 1958 geht eine themenrelevante Diplomarbeit2 voraus, die auf gute Kenntnis der amerikanischen Standpunkte zu PR schließen lässt. Das Literaturverzeichnis der Promotionsschrift listet u.a. neben Edward Bernays oder Rex Harlow solche wichtigen deutschen Autoren wie Herbert Gross, Carl Hundhausen und Ernst Vogel auf (S. 161, 164).

Abb.: Dr. Ludwig Erhard mit dem Buch „Wohlstand für alle“ am 28. Januar 1957. Foto: Doris Adrian. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003, CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

In der Tat weist Löckenhoffs PR-Verständnis viele Ähnlichkeiten mit Gross und Vogel auf. Diese Ansätze reflektierten und formierten ein Selbstverständnis der PR als „einer öffentlichen Aufgabe durch die Schaffung von Einvernehmlichkeit zwischen Organisations- und Gesellschaftsinteressen mittels PR-Arbeit beim Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“. PR wurde „ein gesellschaftliche(s) Mandat“ zugesprochen, ein bestimmtes Verständnis von demokratisch-marktwirtschaftlicher Gesellschaft – im Kern der „sozialen Marktwirtschaft“ – durchsetzen zu helfen. (Szyszka 2015, S. 503)

Damit und vor allem nach Löckenhoff ist nicht jede kommunikative Aktivität eines Unternehmens bzw. einer Organisation, auch wenn sie nicht Wirtschaftswerbung ist, „Public Relations“. Organisationen bzw. Unternehmen können auch Propaganda oder Vertrauenswerbung betreiben.

Löckenhoffs Grundverständnis: Nicht jede Unternehmenskommunikation, nicht jede Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind „Public Relations“ in seinem Sinne

Organisationelle bzw. unternehmerische Kommunikation ist nur dann „Public Relations“, wenn ein bestimmtes Verständnis von der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, der Stellung eines Gliedes in dieser Ordnung, dem Charakter seiner Beziehungen zu anderen Gliedern und den Umgangsformen von Interessensunterschieden zugrunde liegt und (!) im Kommunikationshandeln auch tatsächlich zum Ausdruck kommt.

Helmut Löckenhoff (1958, S. 27) positioniert sich und „seine“ PR allerdings nicht – wie bei Herbert Gross – primär bzw. explizit weltanschaulich-wirtschaftspolitisch zur „sozialen Marktwirtschaft“, sondern – eher wie bei Ernst Vogel – allgemeiner und soziologisch: Er will die PR in den „Tiefenschichten der Problematik der industriellen Gesellschaft“, im „industriellen System“ und der darauf „aufbauenden Lebensordnung“ gründen.

Begriff Public Relations: allgemein diffuser Gebrauch – sein Vorschlag zur Schärfung

Löckenhoff (1958, S. 5) nennt zwei Gründe, warum die „Bezeichnung ‚Public Relations‘ (…) oft nicht mehr als die unklare Umschreibung einer ungewissen, weil problematischen Erscheinung“ sei: Einerseits in ihren praktischen Formen „außerordentlich mannigfach“, würden ihrem „Gesinnungsgehalt“ und ihren „Methoden“ andererseits „negativ-kritische(n) Vorstellungen“ entgegengebracht.3

Man spricht vom Verkauf einer zweifelhaften Ideologie, von Meinungstechnik und Publizitätsmache. Besonders stark sind Kritik und Vorbehalte, weil Public Relations aus Amerika stammen. Amerikanisches Gedankengut wird in Deutschland mit dem Hinweis auf die Andersartigkeit der deutschen Voraussetzungen von vornherein sehr vorsichtig beurteilt.

(Löckenhoff 1958, S. 5)

Löckenhoff (1958) will vielmehr „möglichst objektiv“ (S. 5) sein und geht nicht „von wichtigen Wesenszügen der Beziehungspflege etwa als einer Form der Propaganda, der Vertrauenswerbung oder dergleichen aus“ (S. 11). Er sieht PR als Lösungsstrategie für eine „makrosoziologische Fragestellung“ (S. 6) industrieller Gesellschaft an. PR sei durch „in der Gegenwart beobachtbare(n) Eigenheiten des Sozialgefüges“ (S. 7) bedingt, was er am Beispiel des Industriebetriebes abhandelt (u.a. S. 68). Damit schlägt er einen Erkenntnisweg ein, der später u.a. auch von Franz Ronneberger bzw. von diesem gemeinsam mit Manfred Rühl beschritten wurde. Löckenhoffs Arbeitsdefinition lautet: Public Relations sind (…)

(…) das von den Struktureigenheiten der industriellen Gesellschaft bedingte und durch die im gleichen Sinne typischen Kommunikationsmedien bewirkte Streben einer Gruppe oder Organisation, mit publizistischen Mitteln den Kontakt zu den ihr nahestehenden Teilen der Öffentlichkeit und zur Öffentlichkeit insgesamt mit dem Ziele gegenseitigen Vertrauens und partnerschaftlicher Zusammenarbeit zu stärken.

(Löckenhoff 1958, S. 8)

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Er heiratete seine FU-Studienfreundin Elisabeth Maria Herrmann, dann Löckenhoff, die sich mit DDR-Publizistik beschäftigte und 1972 selbst Professorin für Publizistik wurde (verstorben 1985). Vgl. http://blexkom.halemverlag.de/elisabeth-loeckenhoff/

2 Löckenhoff, Helmut: Public Relations der Unternehmung im Spiegel der amerikanischen Literatur. Diplomarbeit. Köln: Universität, 1956.

3 Löckenhoff selbst verwendet häufig als Synonym den Begriff „öffentliche Meinungs- und Beziehungspflege“. Dass Löckenhoff aber die Verwendung des Begriffes Public Relations (PR) „scheut“, wie Tebrake (2019, S. 146) behauptet, können wir nicht bestätigen. Allerdings ist nach Löckenhoff nicht alles, was sich PR nennt oder als solches bezeichnet wird, PR in seinem Sinne.