PR-Dissertationen der 1950er bis 1970er (I)
PR-Literatur der 1950er- bis 1970er-Jahre: Ausgewählte Dissertationen
Einführung
Vorbemerkungen zu Gegenstand und Zeitraum
Der folgende Beitrag hat deutsche Dissertationen, also wissenschaftliche Arbeiten, über PR aus den 1950er- bis 1970er-Jahren zum Gegenstand.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 und der Gründung der (westdeutschen) Bundesrepublik 19491 nahmen Praxis und Reflexion der Public Relations einen rasanten Aufstieg. Die Entstehung des Berufsverbandes „Deutsche Public Relations Gesellschaft“ (DPRG) 1958 ist äußerer Ausdruck dieser Entwicklung, später – 1973/74 – folgte dann die Gründung des Wirtschaftsverbandes „Gesellschaft Public Relations Agenturen“ (GPRA). „Wirtschaftswunder“ und Einführung der sozialen Marktwirtschaft stellten wichtige Treiber dieses Aufschwunges dar. Allerdings zeigten die „erste bundesdeutsche Wirtschaftskrise von 1966/67“ und die Rezession von 1974 auch Grenzen auf. (Tebrake 2019, S. 72)
Von 1945 bis 1957 vollzog sich die „Formierung des nationalen Berufsfeldes“ (Tebrake 2019, S. 117ff.), begleitet von einer Anhäufung von Berufswissen und Fachliteratur (S. 140ff.). Diese setzte sich auch in der nachfolgenden „Institutionalisierungsphase 1957-1966“ (S. 163ff.) und in der „Ausdifferenzierungsphase 1966-74“ (S. 203ff.) fort.
Was das PR-Museum bereits vorhält und was dieser Beitrag zusätzlich behandelt
Bereits seit längerer Zeit hält das PR-Museum spezielle Beiträge über Carl Hundhausen2 (seit 2011), Albert Oeckl (seit 2011/12), Franz Ronneberger (seit 2012, aktualisiert 2018), Herbert Gross (seit 2013), Ernst Vogel (Dissertation Mannheim von 19513, im PR-Museum seit 2013), Ernst Sodeikat4 (seit 2013), Friedrich Mörtzsch5 (seit 2013/14) und Reiner Schulze van Loon6 (seit 2019, als Teil der Agenturdarstellung Schulze van Loon) vor.
Der hier vorgelegte Beitrag verbreitert für die 1950er- bis 1970er-Jahre die Autoren- und Quellenbasis, indem er sechs Promotionsschriften an bundesdeutschen bzw. Westberliner Hochschulen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations vorstellt. Es handelt sich um die wirtschaftswissenschaftlichen Dissertationen von Everhard Ludemann (Köln 1952), Hans Steybe (Tübingen 1958), Hansjoachim Bauch (Berlin/West 1963) und Frank Schobert (Freiburg i. Br. 1968) sowie die soziologische (-publizistikwissenschaftliche) Dissertation von Helmut Löckenhoff (Berlin/West 1958) und die gesellschafts- bzw. politikwissenschaftliche von Edelgard Skowronnek (Frankfurt am Main 1979).7
Titel der Arbeiten
Wichtiges Auswahlkriterium war, dass aus dem Titel eine grundsätzliche und theoretisch-systematische Beschäftigung mit Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations erkennbar sein musste.8 Ein schon wichtiger Anfangsbefund ist es, dass dies mit einer Ausnahme (Skowronnek) anhand der Wirtschaft bzw. von Unternehmen geschieht.
Hier die genauen Titel der im Folgenden behandelten Promotionsschriften:
- Ludemann (1952): Betriebliche Partnerschaftspflege (Business Public Relations).
- Löckenhoff (1958): Public Relations. Versuch einer Analyse der öffentlichen Meinungs- und Beziehungspflege, insbesondere der des Industriebetriebes, in soziologischer, wirtschaftswissenschaftlicher und publizistischer Sicht.
- Steybe (1958): Public Relations. Aufgaben und Probleme der Öffentlichkeitsarbeit in deutschen Unternehmen.
- Bauch (1963): Öffentliche Beziehungspflege in Industrieunternehmungen (Public Relations). Versuch einer Grundlegung und kritischen Würdigung in primär betriebswirtschaftlicher Sicht.
- Schobert (1968): Wechselseitige Einflüsse zwischen öffentlicher Meinung und Unternehmung.
- Skowronnek (1979): Politische Public Relations im bürgerlich-kapitalistischen Entstehungszusammenhang.
Wir referieren die Promotionsschriften in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Aus Gründen der Materialfülle und Übersichtlichkeit haben wir die Abhandlung in zwei Teile gegliedert. Der hier beginnende erste Teil beschäftigt sich mit den Arbeiten von Ludemann (1952), Löckenhoff (1958) und Steybe (1963).
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass wir hier die frühen deutschsprachigen, aber Schweizer Dissertationen von Emil Greber (Bern 1952) und Bruno Heini (Freiburg/Schw. 1958)9 nicht behandeln.
Anmerkungen
1 Die Entwicklung in der (ostdeutschen) DDR, einem planwirtschaftlich-sozialistischen Staat, wäre ein eigenes Thema und muss hier außer Betracht bleiben.
2 „Carl Hundhausen gehört zu den (…) viel genannten Gründervätern des Public-Relations-Berufsstandes im Nachkriegsdeutschland, eine Rezeption seiner häufig als ‚Klassiker‘ eingestuften Arbeiten hat allerdings bislang nur in einem viel fachlich bescheideneren Maße stattgefunden, als etwa die deutlich narrativeren, aber populäreren Arbeiten Albert Oeckls.“ (Szyszka in Szyszka 1997, S. 233) Zu Hundhausen und seiner Adaption der Beziehungssoziologie Leopold von Wieses auch Liebert in Szyszka 1997, S. 82f.
3 Ernst Vogel (1922-2007) mit seiner Dissertation „Öffentliche Beziehungspflege (Public Relations) in Theorie und unternehmerischer Praxis“ von 1951.
4 Ernst Sodeikat (1899-1970) war ein PR-Akteur (Pressestellenleiter des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr) mit mehreren Publikationen, der in der PR-Geschichtsforschung noch nicht substanziell beachtet worden war.
5 Friedrich Mörtzsch (1900-1960), von Hause aus eigentlich Ingenieur und Leiter der Presse- und Public-Relations-Abteilung der AEG, leistete einen wichtigen, bislang noch unterschätzten Beitrag zur Entwicklung deutscher Public Relations.
6 Reiner Schulze van Loon begann 1958 seine selbstständige Beratertätigkeit in Hamburg und war später GPRA-Mitgründer und -Präsident.
7 Zu Ludemann und Löckenhoff vgl. auch Tebrake 2019, S. 145f. Über Steybe und Bauch geht Tebrake (S. 182) zu schnell hinweg.
8 Die Auswahl ist nicht abschließend. In einem späteren Beitrag werden wir, auch in Abhängigkeit von ihrer Verfügbarkeit, weitere Arbeiten vorstellen.
9 Ihre Titel lauten: Greber: Public Relations. Die Politik der Unternehmung zur Pflege der öffentlichen Meinung; Heini: Public Relations. Die Vertrauenswerbung der Privatunternehmung. Vgl. dazu auch Tebrake 2019, S. 140 und 146.
Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Detail aus Titelblatt der Dissertation von Everhard Ludemann 1952, bearbeitet.