Kommunikative Kompetenzen und Techniken

Verständnis und Sensibilität für Zielgruppen

Abb.: Maggi-Werbung um 1900. Repro des Museums Alimentarium. Quelle: Wikimedia Commons (vermutlich gemeinfrei).

Wedekinds schriftstellerische Fähigkeiten hatten ihm die Tür ins Hause Maggi geöffnet. Das Verfassen von so genannten „Reklamen“ und Annoncen war neben Aufbau und Pflege der Pressekontakte der Schwerpunkt seiner Arbeit als Vorsteher des Reklame- und Pressebüros. In seiner Maggi-Zeit verfasste Wedekind insgesamt 160 Reklamen und 20 Annoncen, außerdem ergänzte er Ausstellungs- und sonstige Werbung um Scherzprosa.1

Wedekind verstand es ausgezeichnet, den Zielgruppen etwas Alltägliches und Banales wie die Massenware von Maggi im doppelten Sinne schmackhaft zu machen. Kurz und prägnant waren seine redaktionellen Reklamen, so dass sie dem Publikum besonders auffielen und es zum Lesen anregten.2 Sein Steckenpferd war dabei zweifelsohne die Prosa: Auf 160 Prosa-Reklamen kamen in seiner gesamten Maggi-Zeit nur zwei Reklamen in Versform: „Vater und Sohn“ und „Was dem Einen fehlt, das findet in dem Andern sich bereit“.3

Eigenwilliger Stil

Mit Vorliebe verfolgte er sein Ziel, die Menschen zu belehren, zu unterhalten und zu bewegen, indem er kurze, pointierte Geschichten mit Neuigkeits- und Erinnerungswert in Form einer Anekdote erzählte4 – und dabei gern den einen oder anderen auf die Schippe nahm. Moralsprüche, parodistisches Zitieren, Wortspiele, Anspielungen und humoristische Vergleiche prägten seine Reklamen5, die stets in den Produktcharakteristika und -vorzügen mündeten: Zeitersparnisse und einfache Zubereitung, hoher Nährgehalt und leichte Verdaulichkeit, hervorragender Geschmack zu kleinstem Preis. Das Maggi-Erzeugnis wurde dabei gern personifiziert und trat als Helfer in der Not auf.6 Heute würde man das wohl als eine Form von Storytelling bezeichnen.

Julius Maggi schwankte in der Bewertung der Reklamen und Annoncen zwischen Begeisterung und Ernüchterung: Seine Zensuren reichten von „vortrefflich“ bis „ungenügend“.7

Ein Beispiel, das Maggi „vortrefflich“ fand:

Kindliche Einfalt.“ – Hänschen (bei Tische): „Mama, diese Suppe mag ich nicht.“ – Mama: „Warum nicht? Dein Bruder Max hat sie immer so gern gegessen.“ – Hänschen (abschweifend): „Wo lebt eigentlich jetzt mein Bruder Max?“ – Mama: „Im Himmel, bei den lieben Englein.“ – Hänschen: „Warum besucht er uns nicht zuweilen?“ – Mama: „Wahrscheinlich gefällt es ihm dort so gut, dass er gar nicht mehr zurückdenkt; denn im Himmel ist es noch viel schöner als hier bei uns.“ – Hänschen: „Wirklich, Mama? Dann bekommt man dort gewiss nur Maggi-Suppe zu essen.

(Zit. nach Kunczik 1997, S. 219)

Autor(en): A.H.T.L.

Anmerkungen

1 Vincon 1992, S. 229. Kunczik 1997, S. 218.

2 Vincon 1992, S. 233.

3 Vincon 1992, S. 224f.

4 Vincon 1992, S. 234.

5 Vincon 1992, S. 230.

6 Vincon 1992, S. 234f.

7 Nachtsheim 1982, S. 218. Kunczik 1997, S. 219f.