Reflexionsgeschichte von PR mit eigenen Medien: Corporate Publishing I

Begriffsregelungen und Stellung der Corporate Media

Begriff und Sache

Abb.: Titelblatt der Siemens-Mitteilungen, Nr. 158 des Jahres 1935. Quelle: Siemens Corporate Archives. Die Urheberrechte liegen bei der Siemens AG, München/Berlin, die Abb. dürfen kostenfrei für redaktionelle und wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Mit freundlicher Zustimmung der Siemens AG laut E-Mail vom 10. Januar 2006 an I.S.-L.

Schwerpunkt der folgenden Darstellung ist die Entwicklung des begrifflich-kategorialen Gefüges, das auch Rückschlüsse auf die funktionale Einordnung der Unternehmensmedien zulässt. Die Begrifflichkeiten und Definitionen wurden in der Regel vom NS-Regime gesetzt und entfalteten damit ihre faktische Macht.

Zum Ende der Weimarer Republik gab es in Deutschland eine erkennbare und entwickelte Praxis von Unternehmensmedien bzw. des Corporate Publishing (CP), der alte Begriff „Hauszeitschrift oder -mitteilung“1 war dafür weiterhin gebräuchlich. Corporate Media – wie man heute sagt – existierten sowohl im Sinne von Kunden– als auch von Mitarbeiterzeitschriften. Allerdings wurden diese beiden Begriffe in der NS-Zeit ab 1933 nicht mehr oder noch nicht verwendet.

Anders verstandene „Kundenzeitschriften“ waren Presse, nicht Werbung

Unter „Kundenzeitschrift“ wurde von der Reichspressekammer (z.B. 1935 und 1937) gerade nicht das gefasst, was vor 1933 und auch wieder heute darunter verstanden wird, nämlich ein von einem einzelnen Unternehmen für seine Kunden herausgegebenes Medium. Die NS-Medienlenker schlossen vielmehr „Hausmitteilungen“, die „damals nicht den die Presse einschränkenden Gesetzen und Anordnungen unterlagen, sondern als reine Werbeschriften galten“, aus.

Die Pressekammer meinte unter „Kundenzeitschriften“: von Verlagen für eine Vielzahl von Werbungtreibenden herausgegebene Presseorgane, also beispielsweise „Kundenzeitschriften“ für eine ganze Branche. (Eggersmann 1975, S. 75) Diese galten als „objektiv gestaltete, dem Schriftleitergesetz unterworfene Fachzeitschriften“ (Dok. in: Sösemann 2011 Bd. 1, S. 400. Vgl. auch S. 482).

Drei bzw. zwei Arten von Unternehmensmedien

Die NS-Terminologie wurde in einer amtlichen Verlautbarung vom 16. Januar 1934 definiert. Man unterschied zwischen:

„1. Verbandsmitteilungen (…) an die Mitglieder des Verbandes“,

„2. Hausmitteilungen (früher – T.L.! – Kundenzeitschriften), die von einem Betrieb zur Unterrichtung seiner Kundschaft oder Belegschaft (…) herausgegeben werden (…), deren Inhalt ausschließlich der Werbung für das eigene Haus (Werk) dient (…)“,

„3. Werkzeitschriften“ mit Berichten (…) „über Geschehnisse innerhalb der Werkgemeinschaft“.

Diese drei Zeitschriftengruppen bzw. die in ihnen tätigen Personen wurden von der Gültigkeit des „Schriftleitergesetzes“ ausgenommen. (Dok. in: Sösemann 2011 Bd. 1, S. 181) Später sprach man allerdings meist nur von zwei Arten: Haus- und Werkzeitschriften.

Unternehmensmedien waren nicht Presse, sondern Werbung

Medientypologisch und rechtlich waren die Unternehmensmedien also dem (de jure eine öffentliche Aufgabe erfüllenden) Journalismus bzw. der Presse nicht gleichgestellt.2 Wie man auch an obigen Definitionen sieht, wurden Corporate Media explizit oder implizit als „Werbung“ für geschäftlich-partiale Interessen betrachtet. Diese strikte Unterscheidung von Presse/Journalismus und Unternehmensmedien korrespondiert mit dem Trennungsgebot von redaktionellem und Anzeigen-Teil innerhalb der Presse und drückt eine deutliche Bipolarität im Kommunikationsdenken aus.

Die Leitung der Redaktion eines Firmenorgans oblag einem verantwortlichen „Schriftwalter“, nicht – wie bei seinen journalistischen Kollegen „von der anderen Seite des Schreibtischs“ – einem „Schriftleiter“. Indem der Unternehmensredakteur von den Bestimmungen des NS-Schriftleitergesetzes „befreit“ war, musste er zwar „der DAF angehören; jedoch nicht zwingend NSDAP-, NSBO- oder RVdP-Mitglied sein“. (Lange 2010, S. 69, unter Berufung auf Berthold 1937, S. 7) Dadurch war er – jedenfalls potenziell – weniger politisch-staatlicher Gängelei ausgesetzt als Journalisten bzw. „echte“ Presseleute.

In einer Anordnungserläuterung vom 30.4.1936 wurde noch einmal betont, dass „Haus- und Werkzeitschriften“ eine „ganz bestimmte eng umrissene Aufgabe zu erfüllen“ hätten. Sie dürften nicht in einen „pressemäßigen Wettbewerb“ mit den „nicht gebundenen Zeitschriften treten“. Nun – 1936 – wurde aber die thematische Breite der Hauszeitschriften erheblich beschnitten, beispielsweise durfte es keine allgemein unterhaltenden Inhalte mehr geben. Dies galt auch für Werkzeitschriften, worauf wir an anderer Stelle ebenfalls eingehen. (Dok. in: Sösemann 2001 Bd. 1, S. 399ff.)

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 In einschlägigen Buchtiteln von 1933 bzw. 1938 von Schmidt kommen Hauszeitschrift bzw. Hausmitteilung vor.

2 Allerdings war es bis 1936 möglich, den aus dieser Niedrigstellung von Unternehmensmedien gegenüber der Presse resultierenden Beschränkungen zu entgehen, indem sich freiwillig der Reichspressekammer eingegliedert wurde. Die geht aus der Anordnung hervor, die diese Ausnahmeregelung aufhebt. Vgl. Sösemann 2011 Bd. 1, S. 401. Möglicherweise hatten insbesondere Medien großer Unternehmen davon Gebrauch gemacht.