Reflexionsgeschichte von PR in der NS-Zeit II

Werbung vs. PR, Deutschland vs. USA

Trend zur Ausdifferenzierung

Eine Ausdifferenzierung von Öffentlichkeitsarbeit/PR als spezifischer Bereich öffentlicher Kommunikation und ihre Emanzipation von Werbung/Marketing war noch nicht in dem Maße erfolgt, wie dies später in der Nachkriegs-Bundesrepublik zum Allgemeingut werden sollte.1 Fortgeschrittene Vertreter der Zunft erkannten aber – ausgehend von den US-amerikanischen Verhältnissen – den Trend in diese Richtung, wenn Hundhausen seinerzeit beispielsweise schrieb:

Wirtschaftswerbung (advertising) und Public Relations werden in U.S.A. grundsätzlich voneinander unterschieden. (…) Während sich in der allgemeinen Firmenwerbung (institutional advertising) noch eine deutliche Verbindung zur (Wirtschafts-) Werbung feststellen lässt, hat die Phase der Gestaltung der allgemeinen Beziehungen einer Unternehmung – nach außen oder innen – mit (Wirtschafts-) Werbung kaum noch etwas zu tun (…).

(Hundhausen 1940, S. 69f.)

Einfluss der US-Entwicklung

Abb.: Faksimile der Deutschen Werbung von 1937, Heft 19 S. 1054, mit dem Titel des Hundhausen-Beitrages.

Drittens: Alle bisher bekannten, expliziten Aussagen in der NS-Zeit über Public Relations – insbesondere die der Jahre 1937/38 – erfolgten im Kontext der USA.

Hundhausen meinte im Nachhinein – 1947 –, im NS-Regime sei der Begriff Public Relations „als unerwünscht verboten“ und in „geistiger Verarmung“ durch den Begriff Innerbetriebliche Werbung ersetzt worden (Hundhausen 1947, zit. nach Kunczik 1993, S. 5).

Auf dem Weg zu einer eigenen Berufsorganisation?

Innerhalb der Reichsfachschaft deutscher Werbefachleute war auch die Arbeitsgemeinschaft für innerbetriebliche Werbung (AIW) gegründet worden2, was wir im Zusammenhang mit der Werkspresse später noch einmal erwähnen werden. Ob diese AG bzw. Sektion innerhalb des Werberverbandes nur – wie ihr Name und Hundhausens Verarmungs-Vorwurf nahelegen – einen Teil heutiger Öffentlichkeitsarbeiter bzw. PR-Praktiker oder potenziell alle organisieren wollte, kann hier nicht beantwortet werden. Nach Westphal (1989, S. 148) war Hundhausen selbst darin vertreten, in seiner Eigenschaft als Verkaufsleiter bei der Firma Hillers. Insgesamt sollen zu dieser Arbeitsgemeinschaft 135 Werbefachleute aller großen Betriebe gehört haben, von den Funktionen her Werbeleiter bzw. -berater oder auch Vorstandsleute.

Prinzipiell dürfte Lange Recht haben, wenn er vor der DPRG-Gründung 1958 keine eigene deutsche Berufsorganisation für in Öffentlichkeitsarbeit bzw. PR Tätige sieht. Als Ursachen führt er zum einen den Mangel an Personen an, „welche die Gründung einer eigenen Standesorganisation nachhaltig genug empfahlen und vorantrieben“. Zum anderen verweist er auf die ablehnende Haltung des NS-Regimes gegenüber dem (amerikanischen) PR-Begriff und -Konzept. (Lange 2010, S. 86)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Allerdings gibt es auch heute noch Verständnisse von PR, die diese lediglich als Instrument der Kommunikationspolitik im Marketing sehen.

2 -ch. (1940)