Einführung (Fortsetzung)

Unterschiedliche Grundpositionen zur (Nicht-) Existenz von PR in der NS-Zeit

Positionen I und II

Erstens sind Darstellungen und Äußerungen vorzufinden, die der Frage nach dem Vorhandensein von Öffentlichkeitsarbeit/PR zwischen 1933 und 1945 in Deutschland aus dem Wege gehen. Bei PR-Praktikern und -Verbandspolitikern der alten Bundesrepublik hatte dies oft den standespolitischen und/oder persönlich-biografischen Grund, nicht mit moralisch verurteilungswürdigen Kommunikationsauffassungen und -techniken des NS-Regimes in Verbindung gebracht zu werden oder sich jedenfalls davon scharf abzugrenzen.

Dieses Verhalten stellt gewissermaßen die Kehrseite von Positionen dar, die zwischen den persuasiven Kommunikationspraktiken der NS-Zeit und der späteren Bundesrepublik eine direkte Kontinuität bzw. Identität sehen (Heinelt 2003). Solche Gleichsetzungen können einer zweiten Gruppe von Positionen zugeordnet werden.

Positionen I und II: Beispiel Kunczik

Kunczik (1997, S. XII) in seinem Überblicksbuch zur Geschichte der PR klammert die „Zeit des Dritten Reiches“ aus, „weil hierzu bereits eine Vielzahl von Arbeiten vorliegen“.1 Gewiss können die staatliche und ideologische NS-Propaganda, die Gleichschaltung des Mediensystems oder die Anwendung von Zwang sowie Spitzelmethoden als gut beforscht gelten. Zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von einzelnen Unternehmen, Organisationen, Stadtverwaltungen etc. – also zur Unternehmens- und Organisationskommunikation im heutigen Verständnis und auch im Sinne unseres PR-Museums – ist die Forschungslage von Ausnahmen abgesehen allerdings insgesamt eher dürftig. Indem die NS-Zeit in Kuncziks Buch fehlt, steht er bezogen auf den faktuellen Nachvollzug der Geschichte auf dem Boden der ersten Position.

Für Kunczik stellte dies aber deshalb kein Problem dar, weil er eine Unterscheidung von Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit ablehnt und beides „als Synonyma“ (S. 4) benutzt. Theoretisch-systematisch betrachtet, ist er damit der zweiten Position zuzuordnen.

Unsere Position III: theoretisch-systematisch und konkret-historisch betrachtet

Kunczik entgegengesetzt sagen wir: Eine begründete Typologie und Differenzierung von verschiedenen Bereichen öffentlicher Kommunikation (Journalismus, Werbung, PR …) – einschließlich einer Unterscheidung von PR und Propaganda (was Gemeinsamkeiten oder Überschneidungsflächen nicht ausschließen muss) – stellt eine wichtige wissenschaftliche Aufgabe dar, die auch zu verschiedenen Lösungsangeboten geführt hat (vgl. Bentele in Liebert 1999, S. 95-109; Arnold 2003, Liebert 2003, 2008 und 2012; Fröhlich/Szyszka/Bentele 2015, S. 115f., 390-393, 1145f. u.a.).

Abb.: Zentraler Teil der politisch-weltanschaulichen NS-Propaganda war der Antisemitismus. Hier eine Titelseite des Hetzblattes „Der Stürmer“ aus dem Jahre 1932, also noch vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten.

Hier, in diesem Beitrag des PR-Museums, wollen wir aber dieser Frage auf theoretisch-systematischer Ebene ausdrücklich nicht nachgehen, sondern setzen Unterschiede zwischen Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit voraus. Ein solches Verständnis auf die konkrete Kommunikationsgeschichte zwischen 1933 und 1945 angewandt, führt unter Berücksichtigung der Forschungsbefunde zur Feststellung: In der zur Rede stehenden Zeit hat es sowohl – unzweifelhaft und nicht relativierbar – Propaganda als aber auch Öffentlichkeitsarbeit gegeben. Damit ist die dritte Position beschrieben, die auch wir im PR-Museum vertreten.

Das PR-Museum konzentriert sich auf die Historie von PR

Im PR-Museum fokussieren wir nicht auf die NS-Propaganda2, sondern auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen und Organisation in dieser Zeit. Das schließt einerseits ein, nach ihren Funktionen, nach Gründen ihres Vorhandenseins – auch unter Bedingungen einer Diktatur – zu fragen. Und es kann beinhalten – abhängig von der Forschungslage –, ihre Kombination mit oder Rahmung durch Propaganda zu thematisieren.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Bei einigen Details geht er aber doch auf diese Zeit ein, vgl. S. 229f., 255, 293f., 298ff. und 305f.

2 Vgl. dazu u.a. Sösemann 2003.