Realgeschichte von PR mit eigenen Medien: Beispiel (internes) Corporate Publishing II
Stellung sowie Inhalte bzw. Themen von Werkzeitschriften
Vorhandene Spielräume
Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass in den Werkzeitschriften auch bis überwiegend eigenbestimmte interne Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen stattfand. Es habe „begrenzte, aber praktikable und genutzte Spielräume gegeben“ (Michel, S. 276). „Von den im RMVP (= Reichspropagandaministerium) ausgegebenen Presseanweisungen unberührt, setzte die staatliche Reglementierung der unternehmenseigenen Blätter (erst – T.L.) relativ spät ein“ (Lange 2010, S. 72).
Themenmischung und politische Inanspruchnahme
Lange (2010, S. 69ff.) stellt recht ausführlich dar, welches breite Mix „aus firmenbezogenen, innen- und außenpolitischen, wirtschaftlichen sowie technischen Themen“, ergänzt durch „populärwissenschaftliche, kulturelle sowie unterhaltende Artikel“, die Werkzeitschriften verkörperten. Auch Dialogität war angestrebt:
Daneben sollten Arbeiter und Angestellte für die Inhalte verantwortlich zeichnen, Reportagen, Leserbriefe oder Gedichte verfassen und Werkzeitschriften als interne Kommunikationsplattform nutzen. Allerdings weisen kontinuierlich abgedruckte Appelle zur aktiven Teilnahme auf den mäßigen Erfolg hin.
(Lange 2010, S. 69)
Damit boten die Zeitschriften „der internen PR ein wichtiges, überaus facettenreiches Arbeitsinstrument.“ Freilich enthielten sie mehr oder weniger auch NS-Propagandamaterial, mitunter in einem „nachgeordneten Beiblatt“. Wie aber der Betriebsalltag von NS-Ritualen durchsetzt war, musste dies sich auch im Betriebsmedium widerspiegeln: „Artikel über Betriebsappelle, (…) Fahnenweihen, (…) Besuche ranghoher Politiker (…)“ (S. 71).
Lange resümiert die politisch-ideologische Inanspruchnahme der Werkzeitschriften bzw. ihren Autonomiegrad:
Inwiefern sich jene dabei ‚als bedeutsames Mittel der Erziehung zum Nationalsozialismus‘, ‚ideales Instrument betrieblicher Menschenführung‘ oder ‚Bindeglied zwischen der Gefolgschaft und dem Betriebsführer‘ einsetzen ließ, hing von personellen, zeitlichen und finanziellen Restriktionen sowie den politischen Präferenzen der Unternehmer ab.
(Lange 2010, S. 70)
Bürokratisch-thematische Einschränkungen von 1936 mit mäßiger Praxiswirksamkeit
Enge Fokussierung auf eigentliche Aufgaben
Mit zwei Anordnungen vom 30. April und 22. September 1936 begrenzte Max Amann, der Präsident der Reichspressekammer, den Adressatenkreis der Werkzeitschriften strikt auf die „Betriebsgemeinschaft“ und das Themenspektrum auf unmittelbar produkt- und unternehmensbezogene Inhalte. Tagespolitik, Unterhaltungs- und Anzeigenteile wurden ausdrücklich verboten. Weltanschauliche oder sozialpolitische Inhalte sollten einen Bezug zum Unternehmen aufweisen.
Hintergrund waren weniger politisch-ideologische oder Zensur-Gründe, sondern vielmehr der Schutz der öffentlichen (kostenpflichtigen) Presse vor der faktischen Konkurrenz der auflagenstarken (meist kostenlosen) Unternehmensmedien.1
Frage der Auswirkungen
Diese (und andere) Vorgaben des NS-Regimes dürfen in ihren praktischen Auswirkungen allerdings nicht überschätzt werden. „Zumindest bis 1936 kann (…) weder von einer erfolgreichen staatlichen Lenkung noch von einer Uniformierung der Werkzeitschriften gesprochen werden.“
Aber selbst nach der Forderung von 1936 nach inhaltlicher Ausdünnung konnten Redakteure dieser entgegenwirken, indem sie „‘unerwünschten‘ Themen eine Unternehmensrelevanz beimaßen“. So hätten inhaltsanalytische Untersuchungen „kein(en) sprunghafte(n) Wandel in der Themenzusammenstellung“ ergeben. Noch 1941 sei keine inhaltliche oder formale Einförmigkeit erkennbar. (Lange 2010, S. 73) Freilich dürfte die „Einbindung der Werkzeitschrift in die Kriegs- und Durchhaltepropaganda des Regimes“ zugenommen haben (Michel 1997, S. 289).