Realgeschichte von PR in der NS-Zeit II
Forschungsbedarf in verschiedene Richtungen
Unterschiede zwischen Verordnung und Realität
Dieser „Regelungseifer“ (siehe vorherige Seite) dürfte aber aufgrund der faktischen Tradition entsprechender Praktiken und dem – zumindest zu Beginn der Naziherrschaft und in wichtigen Industriebereichen – durchaus vorhandenen Selbstbewusstsein von Pressearbeitern kaum 1:1 umzusetzen gewesen sein (vgl. dazu auch den Beitrag im PR-Museum über die Autobranche).
Auch „existierte für Journalisten (…) ein individuell formbarer Handlungsraum“, sobald der PR-Information ein allgemeines, öffentliches bzw. staatliches oder volks- bzw. exportwirtschaftliches Interesse unterstellt werden konnte und da – jedenfalls de jure – „allein der Schriftleiter für die Informationsgewichtung bzw. eine korrekte Trennung des Text- und Anzeigenteils verantwortlich zeichnete“ (Lange 2010, S. 52 und 51, 88).
Unterschiede im Zeitverlauf
So ergibt sich der Eindruck, „dass eine konsequente, restriktive Handhabung des Verhältnisses von redaktionellem und Anzeigen-Teil sowie eine deutliche Diskreditierung wichtiger Formen von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (…) erst ab 1938/39 einsetzte. Auch blieb der staatlich-behördlichen Pressearbeit zunächst eine gewisse ‚Hintertür‘ über eine ‚aufklärerische Tätigkeit‘“. (Liebert 2003, S. 84)
Szyszka verweist berechtigt auf Indizien dafür, „dass Wirtschaft und Wirtschaftskommunikation erst unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und zunehmender Kriegswirtschaft Kommunikationsinteressen und -modus ändern mussten“ (Fröhlich/Szyszka/Bentele 2015, S. 494). Der Forschungsstand für Jahre nach 1939 ist allerdings deutlich geringer als für die Zeit davor.