Professionelle „Innensicht“ (= erste Perspektive auf PR) I

Begriffe und Organisation

Begriffe

Die heutige Begrifflichkeit von Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) oder Public Relations (PR) wurde zum Beschreiben der damals zweifellos vorhandenen Praxis üblicherweise nicht verwendet. Allerdings sind einzelne Nennungen im deutschsprachigen Raum durchaus nachweisbar, so des ÖA-Begriffes im Umfeld evangelisch-kirchlicher Kommunikation 1917, 1925, 1928 und 1932 sowie des PR-Begriffes unter Bezugnahme auf US-amerikanische Verhältnisse 1926.1

Vielmehr standen aber klassische deutsche Organisations- oder Tätigkeitsbezeichnungen wie Zusammensetzungen mit „literarisch(es Büro)“, „Presse-“, „Nachrichten-“ oder Oberbegriffe wie „Werbung“ und zunehmend „Propaganda“ hoch im Kurs.

Organisation

Abb.: Die „Fabrik“, das „Werk“ war eine typische Organisationsform der Wirtschaft. Am Beispiel des Hillerwerks – hier am Briefkopf (19.7.1923) – sieht man das Bemühen um Corporate Design und Markenbildung, in der Mitte das Logo des Unternehmens für die Marke Natura Sanat, dem knieenden nackten, reines Quellwasser aus einer Schale trinkenden Jüngling. Urheber: Natura-Werk Gebr. Hiller. Quelle: Wikimedia Commons, Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Die Organisation der Unternehmenskommunikation nahm zumindest in großen Betrieben durchaus bereits Formen an, die an heutige Verständnisse von integrierter Kommunikation und der Managementfunktion von PR/Öffentlichkeitsarbeit erinnern. Ein Fachautor von 1919 – also zu Beginn der Weimarer Zeit – stellte die „Propaganda-Organisation eines beleuchtungstechnischen Großbetriebs“ vor. In ihr nahm die „literarische Abteilung“ die Zentralfunktion für die gesamte Unternehmenskommunikation ein. Auch ist bereits eine Unterscheidung zweier Teilfunktionen von einerseits Produkt- bzw. Mark(e)t(ing)-Kommunikation (= Werbeabteilung) und andererseits – an Bedeutung zunehmender – Gesellschafts- bzw. Öffentlichkeits-Kommunikation (= Propagandaabteilung) erkennbar. Allerdings verweisen solche Formulierungen wie „literarische Abteilung als konzentrierte Werbeabteilung“ oder „eigentliche Propaganda-Abteilung“ auch auf einen nach wie vor synonymen, gegenseitig substituierbaren Begriffsgebrauch:

Viele Betriebe sind heute dazu übergegangen, eine literarische Abteilung einzurichten, der die verschiedenen Zweige der propagandistischen Arbeit untergeordnet sind. Die literarische Abteilung ist gewissermaßen das Zentralnervensystem des gesamten Betriebes. Man könnte auch sagen, dass die literarische Abteilung die konzentrierte Werbeabteilung darstellt.

(Müller 1919, S. 3)

Und:

Die Werbeabteilung beherrscht die gesamte Verkaufsorganisation. (…) Die eigentliche Propaganda-Abteilung, die die gesamte Propaganda zu besorgen hat, ist der literarischen Abteilung untergeordnet.

(Müller 1919, S. 3)

Dass die Kommunikationsstelle innerhalb der Unternehmung Autorität besitzen müsse, war eine zentrale professionelle Erkenntnis. Der Presseverantwortliche einer Bank drückte das 1930 so aus: „Nicht die Tatsache, dass ein Unternehmen einen Pressechef hat, ist für die Presse bequem. Notwendig ist, dass dieser Pressechef auch an der richtigen Stelle steht. (…) Er darf nur den eigentlich leitenden Männern (sic!), also dem Vorstand unterstellt sein, und sein Rang muss dementsprechend sein.“ (Müller-Jabusch 1930, Bl. 2)

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Liebert 2003, S. 67ff. und 130ff.