Strategie(n): Unterstützer und Botschaften

Aktive Unterstützer: Flottenprofessoren und andere

Ein besonderes Herzstück der Strategie – neben der auf Synergieeffekte setzenden Zielgruppenansprache – war die Identifizierung von Personen, die als Multiplikatoren geeignet erschienen und als „Interessenten politisch von Bedeutung waren“ (Deist 1976, S. 68). Diese wurden durch gezielte Botschaften dazu animiert, selbst in Aktion zu treten. So wurden beispielsweise Professoren, die später als so genannte Flottenprofessoren in die Geschichte eingehen sollten, und wichtige Unternehmer für die Thematik gewonnen. Diese nahmen letztlich aktiv Einfluss auf die Debatte und trugen den Flottengedanken in weitere Kreise. Demnach wurde das Kommunikationsprogramm zwar zentralisiert aus dem Reichsmarineamt initiiert, ihre Erfüllung jedoch maßgeblich durch externe Multiplikatoren unterstützt.

Abb.: Hans Delbrück (1848-1929). Foto aus „Der Nachlaß Hans Delbrück“, Berlin 1980, bzw. von der Website des DHM. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

„Unter den 270 publizistisch wirksamen Flottenprofessoren waren alle Fakultäten vertreten“ (Kunczik 1997, S. 114). Ein besonders eifriger Akademiker war Hans Delbrück, der als Herausgeber der ‚Preußischen Jahrbücher‘ aktiv Einfluss auf die Debatte nahm.1

Konzentration auf markige Botschaften

Ein weiteres strategisches Merkmal der Kampagne war ihre Fokussierung auf klare Botschaften, die kontinuierlich – aber auch variiert – wiederholt wurden.2 Hierbei wurden vor allem anschauliche und emotionalisierte Aussagen kommuniziert, die an den aufkeimenden Patriotismus anknüpften: Die Forderungen nach einem ‚Platz an der Sonne‘ oder ‚Der Dreizack gehört in unsere Faust‘ wurden zum Inbegriff der Kampagne.

Damit konnte das trockene und komplexe Anliegen, das mit vielen maritim-militärischen, technischen und wirtschaftlichen Details (Schiffsparameter, Kosten etc.), entsprechenden fachlichen Argumenten sowie Verfahrensinformationen (Gesetzgebungsprozess etc.) verbunden war, vereinfacht werden. Es gelang, den Flottenausbau zu ‚entrationalisieren‘ und zu einem Thema von Prestige und „nationale(r) Ehre“ (Bergien 2005, S. 155) zu stilisieren.3 Mit dieser politisierenden bzw. gar moralisierenden Zuspitzung und damit auf ein Dafür oder Dagegen wurde ein wichtiges Funktionsprinzip der Massenpresse und -gesellschaft bedient und zugleich aufgrund des entstehenden sozial-kommunikativen Drucks ein Dagegen erschwert.

Verbindung fokussierter emotionaler mit rationalen Aussagen

Den emotionalen, Gemeinschafts- und Nationalgefühl ansprechenden Hauptaussagen wurden (auch zielgruppenspezifisch) ausgewählte zentrale Sachargumente zugeordnet, um die Notwendigkeit der deutschen Flotte zu begründen. Der Argumentationsgang geriet vergleichsweise schlicht. So wurde betont, der Flottenausbau diene dem Schutze der eigenen Küsten, forciere den Welthandel, vergrößere den Kolonialeinfluss des Deutschen Reiches und sichere den europäischen Frieden. Darüber hinaus wurde die Marine als Garant für Arbeitsplätze gewürdigt und als „Hort der Sehnsüchte“ des deutschen Volkes überhöht. Da eines der stärksten Motive des Flottenausbaus das internationale Geltungsbedürfnis war, wurde auch dies in der Kommunikation besonders akzentuiert: Nur eine mächtige Marine befähige zur Teilnahme am Weltgeschehen und zur Präsenz auf der Weltbühne.4

Im Sinne einer Botschaftenpyramide mit untersetzenden Nutzensbeweisen und Begründungen wurden beispielsweise in der Pressearbeit systematisch Hilferufe von Auslandsdeutschen veröffentlicht, so von Händlern in den Kolonien, die aufgrund fehlender deutscher Flottenpräsenz in Schwierigkeiten geraten waren.5 In der wirtschaftspolitischen Argumentation wurden auch gezielt Großindustrielle und Reeder mit der Verheißung neuer Großaufträge sowie die Arbeiterschaft mit dem Argument der Arbeitsplatzbeschaffung thematisiert.6

Autor(en): R.-M.U.C.K.L.M.M.O.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Bergien 2005, S. 145. Auch Kunczik/Zipfel 2013, S. 17.

2 Konsequente Wiederholung zentraler Gedanken, aber mit Variationen, war eine Technik, die dem Reklamewesen (also der Produktwerbung) abgeschaut wurde. Vgl. dazu Götter 2016, S. 33.

3 Vgl. Kunczik 1997, v.a. S. 112-115, sowie Bollenbach 2009, Stöber 2000, Deist 1976 und Bergien 2005.

4 Vgl. Bollenbach 2009, S. 66f. und Kunczik 1997, S. 107, für die Vorstufen der Kampagne sowie S. 114 für die eigentliche Kampagne.

5 Vgl. Kunczik 1997, S. 114.

6 Vgl. Bollenbach 2009, S. 66.