Instrumente: weitere unterstützende

Stellvertreter-Organisationen mit nicht immer ganz einfachen Beziehungen

Neben der ausgeprägten Pressearbeit war die Unterstützung von Verbänden, die sich ebenfalls für die Flottenaufrüstung engagierten, ein zentrales Instrument. Während zunächst mit bereits bestehenden Verbänden1 kooperiert wurde, initiierte das Nachrichtenbüro 1898 die Gründung eines Vereines, der sich ausnahmslos mit dem Flottengedanken beschäftigen sollte: der Flottenverein. Dieser war als Agitationsverein nach dem Vorbild der britischen „Navy League“ konzipiert: Die Vertreter aus Handel und Industrie, die den Verein gründeten, brachten große Budgets auf, um die Bevölkerung durch Kommunikationsarbeit von der Notwendigkeit und der Faszination der Flotte zu überzeugen und so den Flottenausbau anzutreiben. In den Statuten steht geschrieben: „Der Verein hat den Zweck, das Verständnis und das Interesse des deutschen Volkes für die Bedeutung und die Aufgaben der Flotte zu wecken, zu stärken und zu pflegen“ (zit. nach Kunczik 1997, S. 117).

Der Flottenverein löste eine regelrechte Volksbewegung aus und konnte bereits fünf Jahre nach der Gründung 600.000 Mitglieder verzeichnen. Dank einer Vielzahl von Publikationen wie dem ‚Jahrbuch des Deutschen Flottenvereins‘ und der Zeitschrift ‚Überall‘ wurde die Flottenpolitik vorangetrieben. Auch die Vorträge des Vereins erfreuten sich vieler Besucher und trugen die Botschaften in nahezu jedes Dorf.2

Die amtliche Unterstützung des Flottenvereins wurde zwar nicht aktiv kommuniziert, war aber ein offenes Geheimnis. Allerdings kann Verein nicht als Marionette des Nachrichtenbüros gesehen werden. Häufig genug brachte der Flottenverein das Nachrichtenbüro mit überzogenen politischen Forderungen an den Reichstag in Bedrängnis, weswegen sich Tirpitz mehrfach genötigt sah, sich von den Forderungen des Vereins zu distanzieren. Obwohl der Verein sich also insgesamt als sehr nützlich erwies, befand sich das Nachrichtenbüro ihm gegenüber in einer schwierigen Abhängigkeitsbeziehung.3

Offene sowie verdeckte Publikationen

Abb.: Ehemaliges Reichsmarineamt am Berliner Landwehrkanal (heute Bundesministerium für Verteidigung). Autor: Jcornelius (2005). Quelle: Wikimedia Commons, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Das Nachrichtenbüro produzierte ebenfalls eigene Publikationen wie Romane, Sachbücher, Denkschriften sowie Broschüren und kooperierte mit angesehenen Schriftstellern. Zudem wurden – teils unter Pseudonym – eigene Zeitschriften herausgegeben. Da jene Produktionen kostenintensiv waren, wurden weiterhin Spenden akquiriert – die Kooperation mit Unternehmern wie F.A. Krupp erwies sich dabei als äußerst gewinnbringend, wurde doch von 1897 bis 1914 eine Million Deutsche Mark ‚erworben‘.

Bildungssektor, Marine zum Anfassen, Bilder

Neben der Beziehung zu den Flottenprofessoren wurden darüber hinaus Anstrengungen unternommen, Lehrstühle für Seeinteressen an Universitäten zu errichten, um so das Bildungsbürgertum noch besser erreichen zu können. Selbst an die Kleinsten wurde gedacht. Über Lehr- und Lernmaterialien wie dem ‚Deutschen Flottenlesebuch‘ fand das Thema Eingang in den Lehrplan der Schulen. Mit Sammelbildern und Spielen sollte die Flottenbegeisterung der Kinder auch in der Freizeit gefördert werden.

Zudem erkannten die Kampagnenmacher, dass die Marine selbst eines der wichtigsten Instrumente war: Durch Veranstaltungen, Flottenschauspiele oder -paraden konnte der Abenteuercharakter der Marine akzentuiert und das Volk begeistert werden.

So ließ das Reichsmarineamt 1900 seine Torpedoboote den Rhein herunterfahren und in vielen Städten und Dörfern entlang der Strecke anlegen. Die Städte richteten zu diesen Anlässen Volksfeste und ein buntes Rahmenprogramm aus.4 Prinzipiell waren Schiffs- und Werftbesichtigungen für Vereine oder für interessierte Einzelpersonen möglich. Auf jedem größeren Schiff gab es einen Offizier, der mit der Aufgabe betraut war, Besuchern das Schiff zu erklären. Ganze Gesangs-, Kegel- und Sportvereine – um nur einige zu nennen – reisten zu den Werften und Häfen, um sich die Kriegsschiffe anzuschauen.5

Das Nachrichtenbüro setzte auch – aber vergleichsweise spät – auf die Suggestionskraft des Bildes und räumte visuellen Darstellungen viel Raum ein. Neben der Fotografie wurde zuletzt auch das Medium ‚Film‘ strategisch genutzt.6

Autor(en): R.-M.U.C.K.L.M.M.O.T.L.

Anmerkungen

1 Seit 1882 bestand der „Deutsche Kolonialverein“ und seit 1891 der „Alldeutsche Verband“. Vgl. Kunczik/Zipfel 2013, S. 17.

2 Dem Flottenverein widmet Kunczik 1997 einen eigenen Unterabschnitt (S. 117f.). Schon Ferdinand Tönnies wies 1922 auf die erfolgreiche Bearbeitung der Öffentlichkeit durch den Flottenverein hin (vgl. Kunczik/Zipfel 2013, S. 17).

3 Vgl. Bollenbach 2009, S. 45 ff.; Kunczik 1997, S. 117f.; Meyer 1967, S. 174ff.

4 Vgl. Bollenbach 2009, S. 102ff.

5 Vgl. Kunczik 1997, S. 116.

6 Vgl. insgesamt zu dieser Seite: Bollenbach 2009, Götter 2011; Kunczik 1997, insbesondere S. 114-117; Bergien 2005 und Deist 1976.