Ende der Kampagne
Krisenhafter Kampagnenausgang
Ab 1908 gelangten Kampagne und Flottenenthusiasmus in „schwereres Fahrwasser“ und nach einem „letzte(n) Aufbäumen“ 1912 (Bollenbach 2009, S. 121) wurde es ziemlich ruhig. Aufgrund der enormen Kosten gerieten der Tirpitz-Plan und die Kommunikatoren des Nachrichtenbüros immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. In dieser kritischen Phase setzte der Übereifer des Flottenvereins dem Reichsmarineamt stark zu, weil er die Kritik der Politiker noch befeuerte und Tirpitz einen Balanceakt zwischen dem Erhalt der guten Beziehungen zum Verein und auf der anderen Seite zu den Politikern abverlangte. Darüber hinaus kam es zu ständigen Reibereien zwischen dem Nachrichtenbüro und dem Oberkommando der Marine, das häufig die Geheimhaltungspflicht marineinterner Informationen durch die Öffentlichkeitsarbeit des Nachrichtenbüros verletzt sah.1
Ein immer wichtiger werdender Kritikpunkt an der Flottenpropaganda war des Weiteren, dass sie den außenpolitischen Konflikt mit Großbritannien stetig anheizte, weil sich das Vereinte Königreich durch die deutsche Flottenkampagne bedroht fühlte. Dieser Umstand führte auch dazu, dass Reichskanzler Bülow sich in seiner Unterstützung der Flottenkampagne immer weiter zurückzog. In einem Brief an Tirpitz schrieb er 1909, man müsse darauf hinwirken, „dass keine forcierte Flottenagitation einsetzt, die auf die krankhaft überreizten englischen Nerven gerade jetzt sehr übel wirken würde“ (zit. nach Bollenbach 2009, S. 43).
Der 1909 gewählte Reichskanzler Bethmann Hollweg schlug einen Kurswechsel in der Frage der Flottenrüstung ein und bemühte sich, sehr zum Ärger von Tirpitz, um eine Verständigung mit England.2 Obwohl Tirpitz‘ taktisches Geschick dazu führte, dass die Flottennovelle von 1912 angenommen wurde, hatte er die Unterstützung in großen Teilen der Regierung verloren und stand weitestgehend isoliert da. Sogar der Kaiser kritisierte ihn.
Einzelne Maßnahmen fanden allerdings auch noch bis 1914 und sogar in Kriegszeiten statt. „Nach Tirpitz’ Abschied im Jahr 1916 wurden Teile des Nachrichtenbüros dem Admiralsstab zugeordnet; wenig später wurde die gesamte Abteilung für die Dauer des Krieges mit der Presseabteilung des Admiralsstabes verschmolzen“ (Bollenbach 2009, S. 125).
Kommunikationsfachliches Fazit
Trotz des eher unrühmlichen Kampagnenausgangs erwies sich das gesamte Vorgehen des Nachrichtenbüros als sehr geschickt: Denn das Flottenthema fand nicht nur Eingang in die Köpfe der Bevölkerung, sondern der Marinegedanke wurde äußerst systematisch mit den Einzelinteressen der jeweiligen Teilöffentlichkeiten verknüpft.
Zusammenfassend mutet die Flottenkampagne für die damalige Zeit außerordentlich professionell an und markiert mit ihren „erfolgreichen Initiativen“ (Deist 1976, S. 326) eine Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsarbeit. Dank der spezifischen Zielgruppenorientierung in Kombination mit dem umfangreichen Instrumentarium war diese Unternehmung gleichzeitig fokussierter und vielfältiger als jegliche, vorherige Mobilisierungskampagne.3