Persönliche Hauptakteure

Einführung

Drei Personen nehmen im Rahmen der Flottenpolitik und der -kampagne des kaiserlichen Deutschlands eine bedeutende Rolle ein: die politischen Akteure Kaiser Wilhelm II. und Großadmiral Alfred von Tirpitz sowie der Geschäftsmann Friedrich Alfred Krupp, Letzterer als Hauptakteur der deutschen Rüstungsindustrie.

Zwar übten sie verschiedene Rollen aus und verfolgten dabei auch unterschiedliche Interessen, aber sie einten deutsches Großmachtstreben und ein Faible für die Marine. In einer Gesellschaft mit Standesunterschieden sowie monarchisch-obrigkeitsstaatlichen Strukturen mussten einzelne, mächtige Persönlichkeiten – auch mit ihren charakterlichen Eigenheiten – zwangsläufig einen bedeutenden Einfluss auf Richtung und Stil der Kommunikation haben.

Kaiser Wilhelm II.: machthungriger und exzentrischer Monarch mit Liebe zur Marine

„Als Wilhelm II. am 15. Juni 1888 den Thron bestieg, war allgemein bekannt, dass sein besonderes Interesse der Marine galt“ (Berghahn 1971, S. 23 – im Original „daß“). Propagandistische Formulierungen des Kaisers wie „bitter not ist uns eine Flotte“ oder „(d)er Dreizack gehört in unsere Faust“ (Wilhelm II., zit. nach Kunczik 1997, S. 114) untermalten Wilhelms Leidenschaft für die Seefahrt und den Schiffbau, die sich bereits im Kindesalter herausgebildet hatte. Generell brach Wilhelm II. mit der vorherigen Außenpolitik von Reichskanzler Bismarck, den er im März 1890 entließ.1

In seiner Regentschaft von 1888 bis 1918 wollte der junge Kaiser seiner Marinebegeisterung im großen Stil nachgehen: das Deutsche Reich zu einer globalen Seemacht umzugestalten und über die Weltmeere zu herrschen. Als Sohn einer britischen Mutter nahm er sich dabei das Vereinigte Königreich zum persönlichen Vorbild. Charakterlich gesehen war Wilhelm II. ein sehr eigensinniger Kaiser. Er verstand sich selbst als „Repräsentant der unitarischen2 Reichsmonarchie“ (Deist 1976, S. 9) und strebte eine Gleichstellung der Armee und der Marine an. Gleichzeitig war der Kaiser aber auch ein (wenn auch teilweise widersprüchlicher) Rhetoriker und Medienakteur, der sich durch öffentliche Auftritte mehr oder weniger gekonnt in Szene zu setzen wusste.3

Großadmiral Alfred von Tirpitz: ambitionierter Militärverwalter und hartnäckiger Stratege

Abb.: Alfred von Tirpitz (1916). Von Nicola Perscheid (1864-1930). Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Wikimedia Commons, gemeinfrei. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Alfred_von_Tirpitz.png

Großadmiral Alfred von Tirpitz (1849-1930) gilt als „Schöpfer der deutschen Hochseeflotte“ (Hubatsch 1955, S. 7). Er war 1865 in die Marine eingetreten und übernahm im Juni 1897 als Staatssekretär die Leitung des Reichsmarineamtes. Mit Antritt dieser Stelle widmete er sich der strategischen Flottenkampagne, welche die Popularität der Marine steigern, das kaiserliche „Flottenprogramm durchsetzen und den Nachwuchs für die Marine […] sichern“ (Kunczik 1997, S. 111f.) sollte.4

Ähnlich wie Kaiser Wilhelm II. ging auch Tirpitz einer gewissen Englandbewunderung nach, die aber auch teils in einen regelrechten Hass auf England umschwenkte. Er zeigte sich enttäuscht von der Unterlegenheit der deutschen Marine und verspürte ein großes Bedürfnis, bei dem Aufbau einer bedeutenden deutschen Kriegsflotte mitzuwirken. Tirpitz wird als lernhungriger, energischer und hochintelligenter Mann beschrieben, der den Aufbau der kaiserlichen Marine in strategischer, taktischer und organisatorischer Hinsicht von 1897 bis 1914 mitbestimmte.5

Friedrich Alfred Krupp: harter Geschäftsmann und Flottenschwärmer

Besonders interessant war die Flottenpolitik verständlicherweise auch für die Rüstungsindustrie, lieferte sie doch die technischen und materiellen Ressourcen für den Schiffsbau und konnte daran kräftig verdienen. Der Firma Krupp wird dabei eine besondere Rolle zugeschrieben, da sie das damalige „Monopol für Panzerplatten und Schiffsgeschütze besaß“ (Kunczik 1997, S. 119). Friedrich Alfred Krupp, Vordermann des Unternehmens Krupp und ebenfalls von der Schifffahrt sehr begeistert, gilt als einer der Hauptantreiber und -nutznießer der deutschen Flottenexpansion.

Da die Firma Krupp selbst durch die Einrichtung eines unternehmenseigenen Pressebüros im Jahre 1893 maßgeblich zur Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland beigetragen hat, unterstützte der Unternehmenseigentümer F.A. Krupp zusätzlich im Hintergrund die Arbeit des Nachrichtenbüros des Reichsmarineamtes. Mit der Investition gewisser Gewinnsummen in die kaiserliche Flottenkampagne konnte Krupp einerseits Kaiser Wilhelm II. und seinen Anhängern zu einem positiven Medienecho verhelfen und andererseits seine eigenen Geschäftsinteressen wahren und erfolgreich umsetzen.6

Krupp musste allerdings auch erfahren, wie fragil die Beziehungen zwischen dem politisch-militärischen und dem unternehmerischen Bereich sein bzw. wie operative Vorteilschancen vermeintlich strategisch-stabile Allianzen belasten können. Der Rüstungsmogul hielt es immerhin für möglich und unterbreitete dies dem Kaiser, dass öffentlich-mediale Angriffe gegen sein Unternehmen von Tirpitz aus dem Reichsmarineamt initiiert sein könnten, um die Preise zu drücken.7

Positiv gewendet lässt sich daraus bereits eine gewisse und pluralistische Strukturen vorwegnehmende Autonomie einzelner Akteure (so von Tirpitz) innerhalb des Herrschafts- und Verwaltungsapparates ableiten – woraus wiederum ein erhöhter Bedarf an interner Öffentlichkeitsarbeit zwischen den Akteuren erwächst.

 

Bitte lesen Sie auch Teil II des Beitrags zur Flottenkampagne.

Autor(en): R.-M.U.C.K.T.L.

Anmerkungen

1 Bismarck hatte die Gefahr der fortschreitenden Kolonialpolitik, die den Status quo in Europa zu jeder Zeit hätte gefährden können, erkannt. Mit seiner Politik der Friedenssicherung vermied der damalige Reichskanzler es weitestgehend, das Deutsche Reich im Kampf um Kolonien mitspielen zu lassen (vgl. Baumgart 1986, S. 85ff., und Stürmer 1985, S. 53ff.). Der junge Kaiser Wilhelm II. konnte sich mit diesem außenpolitischen Konzept weniger anfreunden.

2 Unitarisch meint hier, die Zentralgewalt, die zentrale Macht des Staates – also den Kaiser – weiter zu stärken und damit den Staat einheitlicher zu machen.

3 Vgl. Clark 2009, Berghahn 1971 und Glaab 2008.

4 Alfred von Tirpitz war schon vorher eine Art Flottenplaner im Hintergrund, der sich schon Mitte der 1890er Jahren mit der Idee des Marineaufbaus beschäftigte und zu Denkschriften über die Weiterentwicklung der Flotte des Oberkommandos der Marine Stellung nahm. In seinen Vorträgen machte er dem Kaiser unmissverständlich klar, dass Zweck der Flotte sowie Bauziel und Zahl der Schiffe genau festgelegt werden müssen und die Aufstockung nur durch eine gesetzliche Fixierungsgrundlage überhaupt durchgesetzt werden kann (vgl. Uhle-Wettler 2008, S. 98ff.).

5 Vgl. Stürmer 1985 und Deist 1976. Eine Biografie von Tirpitz findet sich unter: https://www.dhm.de/lemo/biografie/alfred-tirpitz

6 Vgl. Epkenhans 1998 und Kunczik 1997 sowie Wolbring 2000. Dem Verhältnis zwischen Krupp und der Flottenpolitik widmet Kunczik 1997 einen eigenen Unterabschnitt (S. 118ff.).

7 Vgl. Kunczik 1997, S. 120.