Wirtschaftsmodelle in der Gunst von Bevölkerung und Politik

Privatunternehmerisches Wirtschaftsmodell in der Defensive

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es das erste Ziel aller politischen Kräfte, die Wirtschaft möglichst schnell wiederaufzubauen. Dabei erschien die Geschichte der letzten Jahrzehnte als eine Reihe bitterer und traumatischer Erfahrungen, wie Hyper-Inflation und Weltwirtschaftskrise, die 1945 in Kriegsniederlage und wirtschaftlichem Zusammenbruch, Hunger und Elend gipfelte. In den Augen vieler Menschen war damit das auf Privateigentum und Konkurrenz beruhende Wirtschaftsmodell diskreditiert.

Dies begünstigte in der deutschen Bevölkerung und den neu gegründeten Parteien Forderungen nach einer staatlichen Planung und Lenkung der Wirtschaft sowie einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel in zentralen Wirtschaftsbereichen.1

Konzept der Sozialen Marktwirtschaft

Abb.: Alfred Müller-Armack (links) und Franz Thedieck gratulieren Konrad Adenauer (rechts) zum 89. Geburtstag am 5. Januar 1965. Foto: CDU, Konrad-Adenauer-Stiftung. Quelle: Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Demgegenüber standen Vorstellungen von Liberalisierung, Wettbewerb und einer – in Grundzügen von Alfred Müller-Armack2 entwickelten – Sozialen Marktwirtschaft. Der zentrale Gedanke der Sozialen Marktwirtschaft ist es, die Freiheit aller Marktteilnehmer zu schützen und zugleich auf einen sozialen Ausgleich hinzuwirken. Das bedeutet: Der Preis fungiert am Markt als Lenkungsprinzip und regelt Angebot und Nachfrage.

Der Staat hat dabei die Aufgabe, den Rahmen für einen funktionierenden Wettbewerb zu schaffen und einzugreifen, wenn dieser gefährdet ist. Des Weiteren umfasst die Soziale Marktwirtschaft den Schutz von Personen, die aufgrund von z. B. Alter oder Arbeitslosigkeit kein Markteinkommen erwirtschaften können, indem eine Umverteilung von Einkommen durch progressive Besteuerung erfolgt. Insgesamt zielt der Ansatz auf „eine solide soziale Absicherung, bei gleichzeitig größtmöglichem Wohlstand“ (bmwi 2012).3

Schwierige Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft

Die politische Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland4 ist auf den damaligen Wirtschaftsminister (1949 bis 1963, danach zweiter Bundeskanzler bis 1966) Ludwig Erhard5 zurückzuführen, der deshalb den Ruf als „Vater der sozialen Marktwirtschaft“ erlangte. Unter seiner Federführung wurden bereits vor Gründung der westdeutschen Bundesrepublik mit der Währungs- und Wirtschaftsreform von 1948 wichtige Weichen für die spätere Entwicklung gestellt (vgl. Schildt 1997a, S. 11).

Zunächst hatte die vom Zweiten Weltkrieg stark geschädigte Wirtschaft kurzzeitig eine Erholung erlebt. Jedoch verlangsamte sich das stimulierte Wirtschaftswachstum bald und die Arbeitslosigkeit sowie die Preise für Nahrungsmittel und Konsumgüter stiegen wieder an. Schnell war der „Glanz der Währungsreform“ verflogen (Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 9). Hinzu kam, dass sich Auswirkungen des Koreakrieges (1950-1953) in der Bundesrepublik durch einen zunehmenden Mangel an bedeutenden Rohstoffen bemerkbar machten. Westdeutschland geriet 1951 in ein wachsendes Zahlungsbilanzdefizit und von amerikanischer Seite wurden Forderungen nach einer staatlichen Bewirtschaftung, Preiskontrollen sowie Prioritäten für Importe laut.6

Die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft erfolgte zunächst gegen den Willen der Bevölkerung und der Mehrheit der politischen Entscheidungsträger. Steigende Lebenshaltungskosten und eine wachsende Einkommenskluft führten zum Aufkommen von Kritik an der neuen Wirtschaftsordnung, sodass die Soziale Marktwirtschaft in den Anfangsjahren der BRD mehrfach auf den Prüfstand geriet. Dabei strebten die meisten Westdeutschen nach dem erst kürzlich überstandenen Weltkrieg vor allem nach Ruhe und Sicherheit. Die Menschen flüchteten sich aus ihrem Alltag, für Politik hatte man mehrheitlich wenig übrig.7

Autor(en): L.D.S.F.C.J.T.L.

Anmerkungen

1 Entsprechende Forderungen fanden sich beispielsweise im Ahlener Programm der CDU Nordrhein-Westfalens von 1947, im Hannoveraner Programm der SPD von 1946 oder im Artikel 41 der hessischen Landesverfassung von 1946. Dazu u. a. Krause/Reif 1980, S. 211.

2 Müller-Armack 1976, S. 246. Zur Biografie von Müller-Armack:
http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/MuellerArmackAlfred/index.html Auch: Andersen/Woyke 2003.

3 Vgl. bmwi 2012; Schubert/Klein 2011; Kunczik/Schüfer 1993. Nach ihrer schließlichen Durchsetzung bildet die Soziale Marktwirtschaft bis heute die grundlegende Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik.

4 In Ostdeutschland verlief die Entwicklung unter dem Einfluss der sowjetischen Besatzungsmacht bekanntlich anders.

5 Zur Biografie von Erhard: http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/ErhardLudwig/index.html

6 Vgl. Bührer 1997; Erhard 1962. Die Amerikaner drohten mit einer vorzeitigen Aufkündigung des Marshallplans. Vertiefend siehe dazu: Bührer 1997, S. 32f.

7 Vgl. Bührer 1997; Schildt 1997a/b.