Die Kampagne

Ziele und Zielgruppen

Abb.: Aus der Vorgeschichte: Plakat zu einem Vortrag von Erhard 1949. Kreisverband CDU Wolfenbüttel / Grenzland-Druckerei Rock & Co. Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung St. Augustin / Stiftung Haus der Geschichte.

Nach der Gründung des Vereins erschienen im Herbst 1952 die ersten Anzeigen, die den Startpunkt der insgesamt 13-jährigen Kampagnengeschichte markierten. Die WAAGE-Kampagne war der Versuch, ein für die Bevölkerung neues und ungewohntes Wirtschaftssystem an die Menschen heranzutragen. Mit den Mitteln moderner Kommunikationskonzepte sollte hier nicht für Produkte, sondern für die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der jungen Bundesrepublik geworben werden. Kernziele waren (a) Aufklärung über die Soziale Marktwirtschaft, (b) Image-Verbesserung für die Unternehmer und (c) Pflege der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und ihren Organisationen (Greiß 1972, S. 96). Als übergeordnetes Ziel galt die Förderung des sozialen Ausgleichs und damit Sicherung des sozialen Friedens, was sich auch im Logo der Kampagne – der Waage – widerspiegelte.

Die Kampagne richtete sich an die gesamte Bevölkerung aller Bildungsschichten, sie sollte sowohl „Lieschen Müller“ als auch „Dr. Lieschen Müller“ erreichen.1 Im Verlauf der Kampagne wurden einzelne Zielgruppen mit jeweils speziellen inhaltlichen und formalen Stilmitteln fokussiert, wie z. B. die Facharbeiter, die Jugendlichen oder die Frauen.2 Die Kampagne hat sich daher kontinuierlich gewandelt und den sich verändernden sozialen und politischen Rahmenbedingungen immer wieder angepasst.

Entwicklungsetappen

Abb.: Dr. Ludwig Erhard mit dem Buch „Wohlstand für alle“ am 28. Januar 1957. Foto: Doris Adrian. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003, CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Der Lebenszyklus der WAAGE-Kampagne lässt sich – nach Schindelbeck/Ilgen 1999 – in fünf Abschnitte gliedern: Einer informellen Aufbruchs- und Formierungsphase bis Ende 1953 folgte eine Zeit der Konsolidierung und Professionalisierung zwischen 1954 und 1956/1957. Nach der Bundestagswahl 1957 war eine thematische Neuorientierung notwendig, da das Kernziel, langfristig Akzeptanz und Vertrauen für die Soziale Marktwirtschaft zu erhalten, erreicht war.3 Wie viel Anteil die Kampagne daran hatte, lässt sich allerdings nicht klar sagen – der beginnende Aufschwung überzeugte vermutlich stärker als die Kommunikationsarbeit dies tun konnte.

Aufmerksamkeit erzielte die WAAGE noch einmal während der großen Tarifauseinandersetzungen 1962/63. Spätestens ab 1964 waren Niedergangssymptome unübersehbar und nach der letzten Anzeigenserie 1965 verschwand sie aus der öffentlichen Wahrnehmung. (Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 101) Die Soziale Marktwirtschaft wurde kaum mehr öffentlich in Frage gestellt. Andererseits hatte sich auch das Verständnis der Arbeitnehmer stark verändert und die Autorität sowie das Bild des Unternehmertums gerieten weiter unter Druck. Das nahmen die Vorstandsmitglieder der WAAGE als letzten Anlass, um sich dem Dach des BDI anzuschließen. Doch dieser lehnte eine Integration ab, da man sich auf die eigenen Public-Relations-Aktivitäten verlassen wolle.4 Endgültig wurde der Verein allerdings erst 1978 aufgelöst.

Die Kommunikationsinitiative war Mitte der sechziger Jahre an die Gewerkschaften und die Spitzenverbände der Wirtschaft übergegangen (Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 185). Diese hatten werbestrategisch- und technisch einiges dazugelernt und waren es dann auch, die aktuelle Themen wie Demokratisierung, Mitbestimmung und Akzeptanz im Betrieb aufnahmen. Endgültig löste sich der Verein jedoch erst im September 1978 auf.

Autor(en): L.D.S.F.C.J.

Anmerkungen

1 Greiß 1972, S. 97.

2 Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 138 und 158.

3 Greiß 1972, S. 106.

4 Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 190.