Gründer-Personen und -Branchen

Wichtige Persönlichkeiten

Abb.: Presseartikel über Franz Greiß zu seinem 50. Geburtstag aus dem Handelsblatt vom 25. April 1955. Quelle: Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv, jetzt: ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, P20.

Die Förderer1 der WAAGE stammten überwiegend aus der Chemieindustrie. Vorsitzender des WAAGE-Vereins war Franz Greiß, gleichzeitig auch Gründer und Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), Präsident der IHK Köln, Vorstandsmitglied des BDA, Aufsichtsratmitglied bei Ford und Geschäftsführender Direktor der Glanzstoff-Coutaulds AG Köln.2 Stellvertretender Vorsitzender war der Bayer-Vorstand Fritz Jacobi. Zu den Gründungsmitgliedern zählten auch Max H. Schmid, Vorstandsvorsitzender der Zellstoff-Fabrik Waldhof AG und einer der einflussreichsten Männer der damaligen Chemieindustrie. Mit Philipp F. Reemtsma und Wolfgang Ritter waren zudem die erfolgreichsten deutschen Tabakunternehmer unter den Gründungsmitgliedern vertreten.

Eine weitere interessante Figur ist der Generaldirektor der Rheinischen Energie AG (Rhenag) Fritz Burgbacher, der nicht nur in insgesamt 15 Aufsichtsräten saß, sondern zudem ab 1957 dem Bundestag angehörte, 1960 zum Bundesschatzmeister ernannt wurde und als Spezialist für Steuerfragen und Parteienfinanzierung galt. Siebtes Gründungsmitglied und Schatzmeister des Vereins wurde der Glasfabrikant Alphons Horten, der gleichzeitig diverse Verbindungen zur Chemieindustrie unterhielt und als Finanzexperte für die CDU im Bundestag saß. Diese Zwitterrolle, zugleich Industrieller und Politiker zu sein, scheint für viele WAAGE-Mitglieder prototypisch. Dank dieser Doppelfunktion ergab sich die Möglichkeit, direkt auf politische Entscheidungsprozesse im Sinne des Vereins Einfluss zu nehmen.

Innovative Chemieindustrie gegen konservative Schwerindustrie

Abb.: Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Ludwig-Erhard-Stiftung an Alphons Horten am 15. Dezember 1982. Foto: Lothar Schaack. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F064648-0009. Wikimedia Commons CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Abb.: MdB Dr. Fritz Burgbacher auf einer CDU-Wahlveranstaltung am 16. November 1972 in Köln. Foto: Engelbert Reineke. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F038324-0007. Wikimedia Commons CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Insgesamt umfasste die Mitgliederliste3 der WAAGE im Gründungsjahr 14 „reine Chemiefirmen“ und drei Mischkonzerne mit starkem Engagement im Chemiesektor: Darunter heute immer noch bekannte Unternehmen, wie Kodak, Bosch, Siemens, Daimler-Benz, Ford und Dr. Oetker. Nach der Höhe der Spendensumme zählten jedoch die damals größten Chemieunternehmen Bayer, BASF und Hoechst zu den wichtigsten Förderern. Unabhängig von rein wirtschaftlichen Interessen, waren sich diese drei ehemaligen IG-Farben-Töchter der Bedeutung von PR für den Unternehmenserfolg bewusst, da sie schon in den 1930er-Jahren engen Kontakt mit amerikanischen Firmen unterhielten und früh entsprechende Management- und PR-Modelle übernahmen. Die Manager der Chemieindustrie als einer stets von Innovationen lebenden und exportorientierten Branche hatten die Zeichen der Zeit erkannt: Das Kartellmodell der IG Farben war ebenso veraltet wie verboten und wurde durch liberale, marktwirtschaftliche Vorstellungen nach amerikanischem Vorbild ersetzt.

Die Schwerindustrie, als der stärkste Wirtschaftszweig der jungen Bundesrepublik, hielt jedoch zunächst an seinem tradierten Wirtschaftsverständnis von Marktabschottung durch Schutzzölle, Interessenausgleich und dem Versuch der Kartellbildung fest – auch sie und die Unternehmer im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sollten mit Hilfe der WAAGE-Kampagne von einer freien und gleichzeitig sozialen Marktwirtschaft überzeugt werden. Die WAAGE konnte nach Meinung von Schindelbeck und Ilgen (1999, S. 202) eher als Public-Relations-Arm der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA) begriffen werden, denn ihre Mitglieder waren bestrebt, Gewerkschaften als Sozialpartner anzusehen.4

Autor(en): L.D.S.F.C.J.

Anmerkungen

1 Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 39ff.

2 Zu Greiß siehe Laux-Steiner 2011.

3 Schindelbeck/Ilgen 1999, S. 276.

4 Für ein eher partnerschaftliches Verhältnis der Konfliktregulierung zwischen Kapital und Arbeit wurden Anfang der fünfziger Jahre auch die gesetzlichen Grundsteine gelegt (z. B. Mitbestimmungsgesetz 1951, Betriebsverfassungsgesetz und Lastenausgleichsgesetz 1952). Vgl. Bührer 1997.