Entwicklung in der alten BRD
Modernisierung durch Human Relations und Familienorientierung
Es dauerte sechs Jahre, bis sich das Betriebspressewesen in (West-) Deutschland von dem Kriegseinbruch erholte. Dabei musste zunächst gespart werden, was auch zu medialen Experimenten führte. Der Chemiekonzern BASF gab 1951 wieder eine Hauszeitung unter dem Titel Die BASF heraus: Diese war eher als Kundenzeitung konzipiert, der ab 1952 ein Mitteilungsblatt für die Werksangehörigen – genannt BASF-Nachrichten – beigelegt war. Siemens startete auch wieder 1951:
Quelle der Abb.: Siemens Corporate Archives. Die Urheberrechte liegen bei der Siemens AG, München/Berlin, die Abb. dürfen kostenfrei für redaktionelle und wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Mit freundlicher Zustimmung der Siemens AG laut E-Mail vom 10. Januar 2006 an I.S.-L.
Wandlungen …
Im Jahre 1952 erschienen ca. 290 Titel1 – größtenteils Zeitschriften, die schon vor dem Krieg etabliert waren. Die Liberalisierung und Demokratisierung des Landes schlug sich nun auch in der Unternehmenskommunikation nieder.
In der westdeutschen Bundesrepublik wurde die interne Betriebskommunikation von der amerikanischen Human-Relations-Lehre maßgeblich geprägt.2 Mit diesem Bedeutungswachstum der internen Kommunikation verselbstständigten sich beispielsweise 1960 die BASF-Nachrichten zu einem eigenständigen Medium.
Mit Hilfe der Werkzeitschrift sollte die Bindung zwischen den Mitarbeitern und dem Unternehmen erhöht werden: Statt Belehrung standen Loyalitäts- und Vertrauensaufbau im Mittelpunkt. Den Betriebsangehörigen wurde eine „heile“ Unternehmenswelt präsentiert, mit dem Ziel, ihre Leistungsbereitschaft zu stärken. Dies stieß nicht nur auf Kritik von Arbeitnehmervertreten und Gewerkschaften.3 Auch in Publizistik und Wissenschaft wurden Defizite problematisiert, insbesondere Einseitigkeit und Kritiklosigkeit. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erkannte unter den Werkzeitungen allerdings auch einige, die zu einem „fortschrittlichen, kooperativen Typ“ gehören. „Von keinerlei Vorzensur betroffen sind – nach eigenen Angaben – nur 17,8 Prozent der westdeutschen Werkzeitungsredakteure. Alle anderen, so ergab eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Werkredakteure unter ihren Mitgliedern, müssen der Unternehmensleitung vor dem Druck Texte oder Themenpläne und manchmal selbst die Bilder vorlegen.“ (Der Spiegel 1970, Nr. 47, S. 72 und 80)
Die Betriebszeitschrift wurde zur illustrierten Werkfamilienzeitschrift und erreichte 1967 ca. 6 Millionen Leser.4 1970 rechnete Der Spiegel:
Mit einer Gesamtauflage von über fünf Millionen Exemplaren erreicht die Belegschaftspresse jeden fünften Berufstätigen in der Bundesrepublik – mehr als Axel Springers Bild plus Welt. Einzelne Werkzeitschriften wie die in München herausgegebenen Siemens-Mitteilungen (256.000 Exemplare) übertreffen selbst große Regionalzeitungen wie den Münchner Merkur (Druckauflage: 189.000 Exemplare).
(Der Spiegel 1970)
Quelle der Abb.: Siemens Corporate Archives.
Tendenzen in den 1970er-Jahren
Der Wirtschaftsaufschwung der frühen Bundesrepublik führte zu einem allgemeinen Lohn- und Wohlstandsniveau, von dem auch die Belegschaften profitierten. Arbeiter und Angestellte fühlten sich als selbstbewusster Teil der sozialen Marktwirtschaft. In den 1970er-Jahren führten demokratische Prinzipien in der Unternehmenspolitik zum Betriebsverfassungsgesetz (1972), zum Mitbestimmungsgesetz (1976) und zu neuen Managementkonzepten.
Eine weitere Gründungswelle ließ die Zahl der Werkzeitschriften auf mehr als 550 Titel anwachsen und die Gesamtauflage erreichte 1982 gar 9 Millionen Leser.5 Die Mitarbeiter wurden dabei in die verlegerischen Aktivitäten der Betriebe eingebunden und gestalteten die Werkzeitschriften zusammen mit den Führungskräften und Betriebsräten.6
Eine Dekade später löste der Begriff Mitarbeitermagazin langsam andere Bezeichnungen ab.7 Die Terminologieänderung spiegelt den Wandel in der Ausrichtung und der Aufmachung der Werkzeitschrift in Deutschland wieder. Das Medium wird zu einem aufwändig gestalteten Hochglanzmedium, das die Teilöffentlichkeit Betriebsangehörige anvisiert. Um die Jahrtausendwende soll es in Deutschland zwischen 900 und über 2.000 Mitarbeiterzeitschriften geben.8
Anmerkungen
2 Vgl. Mast/Fiedler 2004, S. 12.
3 „Gegen die Einseitigkeit und Schönfärberei der WZ richtet sich denn auch die heftigste Kritik der Gewerkschaften. Sie haben aus früheren Jahrzehnten die WZ in schlechter Erinnerung, und manche heutige WZ bemüht sich ja auch allzu offenkundig, ihrer Tradition treu zu bleiben und das Misstrauen der Gewerkschaften zu rechtfertigen.“ (Horné 1959, S. 741)
5 Haller, zit. nach Michel 1996, S. 17.
6 Vgl. Mast/Fiedler 2004, S. 13.