Entstehungsursachen und Funktionen

Kommunikations-Erfordernisse moderner Organisation(en)

Abb.: Serienfertigung in einem Leipziger Industriebetrieb um 1925. Quelle: Kaufmann, Christoph: Fotoatelier Hermann Walter. Leipzig, 2010 / Wikimedia Commons: Public Domain.

Die Entstehung der Werkzeitschrift fand im Kontext medialer, sozialer und historischer Prozesse statt. Nachdem Anfang des 17. Jahrhunderts die ersten gedruckten Zeitungen erschienen, bildete sich im weiteren 17. und im 18. Jahrhundert eine Vielfalt an Presseerzeugnissen heraus. Eine betriebliche Presse als spezifische Erscheinungsform des Massenmediums Presse ist an die Entwicklung des für die Industriegesellschaft charakteristischen Organisationstyps Betrieb und seine Kommunikationsbedürfnisse gebunden.

Der ‚Industriebetrieb‘ (bzw. nach seinen Gesetzen arbeitende Betriebe anderer Branchen) als privatwirtschaftliches Unternehmen muss zweifellos als eine – wenn nicht gar als die – prägende Organisationsform innerhalb der Industriegesellschaft und damit als ‚typischer‘ Träger von Organisationskommunikation angesehen werden (vgl. auch Binder 1983, S. 7ff.). Die mit ihm erfolgte zeitweilige, zweckbezogene Effizienz erheischende und auf funktionaler Spezifität (Arbeitsteilung!) beruhende Kombination von Personen und Ressourcen (vgl. u. a. Staatslexikon 1986/87, Sp. 198ff.) spaltet die vorher in der ständisch-korporativen Gesellschaft vorhandene Einheit von Haushalt und Betrieb, von Haus und Arbeit (vgl. z. B. Habermas 1962, S. 43ff.) und gebiert damit neue Kommunikationsbedürfnisse sowie Vertrauensbeziehungen.

(Bentele/Liebert 2005, S. 230)

Die Rolle von und der Organisation stieg, damit auch des Betriebes. Innerhalb der entstandenen Organisationsgesellschaft mit einer vielfältigen Organisationsstruktur entwickelte sich der Betrieb als wichtiger Anlass und thematischer Gegenstand, spezifischer Raum und Träger von Kommunikation.1 Dies verlangte – ob seiner Bedeutung – zwangsläufig auch eigene, für innerbetriebliche Kommunikation optimierte Medien. Einen Schub in dieser Richtung brachte das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts.

In der Wirtschaft veränderten sich die Organisationsstrukturen: Der bisherige Konkurrenzkapitalismus wurde in weiten Bereichen durch Monopole und Großbanken abgelöst, damit bildeten sich neue und zugleich größere, komplexere sowie differenziertere Unternehmenseinheiten. Die kommunikative Bewältigung der neuen Unternehmensidentitäten und des gewachsenen Einflusses auf die Umwelten sowie die Koordination der kommunikativen Einzelaktivitäten benötigten zwangsläufig eine qualifiziertere Organisationskommunikation / PR.

(Bentele/Liebert 2005, S. 234)

Auch Medium sozial-politischer Beeinflussung und Propaganda

Die Anfänge betrieblicher Presse sind allerdings nicht allein auf kommunikative Notwendigkeiten des Funktionierens moderner Organisationen zurückzuführen. Es gab auch soziale und gesellschaftspolitische Ursachen. Die im 18. Jahrhundert einsetzende und vor allem nach 1850 fortschreitende Industrialisierung brachte enorme soziale Änderungen mit sich: Armut und Not machten Reformen nötig. Breite Schichten der Bevölkerung wurden alphabetisiert und politisiert, es entstand eine neue Gesellschaftsklasse – die Arbeiter. Mit der „sozialen Frage“ etablierte sich ein neues gesellschaftliches Mega-Thema, das unterschiedliche weltanschauliche und politische Antworten hervorbrachte. Eine davon war das Erstarken von Gewerkschaften sowie Arbeiterparteien – und ihrer Presse. Streiks und Boykotte der Arbeiter, Organisationsaufbau und Wahlerfolge der Sozialdemokratie versetzten die Herrschenden in Unruhe.

Die traditionellen Eliten und neuen Unternehmer reagierten darauf auch durchaus unterschiedlich: von konstruktiv-reformorientiert bis defensiv-repressiv. Für jede diese Bewältigungsstrategien der „sozialen Frage“ konnten Kommunikation und eine betriebliche Presse dienlich sein. Daraus erklärt sich, dass betriebliche Presse auch Züge gesellschaftspolitischer Propaganda annahm, und nicht nur Funktionen einzelunternehmerischer Organisationskommunikation realisierte. Propagandistisch-weltanschauliche bzw. -nationalstaatliche Funktionen konnten sogar in den Vordergrund treten, wie später bei den betrieblichen Zeitschriften im Ersten Weltkrieg oder unter der NS-Diktatur.

Autor(en): T.L.I.S.-L.

Anmerkungen

1 Liebert 2003, S. 25-29.