Pressearbeit zwischen Werbenähe und journalistischer Logik
Pressearbeit der Wirtschaft wird als legitim angesehen
Pressearbeit zwischen Werbenähe und journalistischer Logik
Publizistikwissenschaftler Emil Dovifat schrieb 1927 (S. 207) rückblickend über die Professionalisierung der Pressearbeit und ihre Ablösung von „Koppelgeschäften“ mit Anzeigen in den USA bzw. zeitversetzt in Deutschland:
In den letzten 20 Jahren (also seit 1907 – T. L.) hat sich (…) in Amerika eine (…) Form von Reklame herausgebildet, die den redaktionellen Teil sehr weit gehend für sich in Anspruch nimmt, ohne auf dem Wege über den Inseratenteil einen Druck auszuüben, ja ohne überhaupt ein Inserat aufzugeben. Es handelt sich um die große und glänzend bezahlte Kunst ‚to get free newspaper space‚, freien Raum im redaktionellen Teil zu erhalten und damit gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, einer oft ganz privaten Angelegenheit den Stempel des öffentlichen Interesses aufzudrücken. (…) Heute macht sich der ‚Press agent‘, der ‚publicity man‘ zum bezahlten Träger dieser Bestrebungen. In Deutschland ist er im letzten Jahrzehnt (also nach dem Ersten Weltkrieg – T. L.) auch aufgekommen. Man nennt ihn hier (irreführend) ‚Pressechef‘.
Diese von Anzeigenwerbung unabhängige Pressearbeit konnte transparent und seriös sein, sie konnte aber auch manipulative Züge aufweisen. PR-Nestor Hundhausen berichtete 1929 (S. 8f., 307, 311) über eine Art der Banken-Werbung in den USA „durch besondere Zeitungsartikel, die in der Form redaktioneller Mitteilungen im Text des Blattes über die einzelnen Transaktionen der betreffenden Institute unterrichten.“ So weit, so gut. Aber: „Diese anscheinend uninteressierte, aber doch sehr scharf nach den Interessen des Hauses, das diese Artikel (‚puff‘)1 versendet, orientierte Form der Werbung ist so ausgebildet, dass man oft nicht zu unterscheiden vermag, wer hier der berichtende Teil ist.“
Für die eher seriöse Form der Pressearbeit stand Hans Brettner, wenn er 1924 riet: „Eine industrielle I(nteressen) V(ertretung) muss die journalistischen Usancen, die sich mit der Zeit zu einem wichtigen und ‚peinlichen Ehrenkodex‘ des Redakteurstandes herausgebildet haben, kennen, um in der Wahl ihrer Mittel sich keinen Rückschlägen auszusetzen.“ Dazu sollte auch der vertrauensvolle Dialog gehören: „Denn der ernsthafte Journalist versteht es durchaus zu schweigen, wenn und wo es im Interesse des öffentlichen Wohles liegt. Voraussetzung hierfür ist freilich eine ehrliche Aussprache.“ (Brettner 1924, S. 32, im Original gesperrt; zit. nach Liebert, S. 94) Durchaus modern ist der Gedanke, dass ein professionelles Verhältnis neben verantwortungsbewussten PR-Leuten auch verantwortungsbewusste Journalisten voraussetzt.