NS: keine veröffentlichungsreifen PMs
NS-Diktatur schaffte veröffentlichungsreife Pressemitteilungen offiziell ab
NS-Staat regelte: Für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit rechtlich kein Platz
Die erstmalige rechtliche Fixierung einer öffentlichen Aufgabe der Presse durch die Nationalsozialisten führte normativ zu einer noch strikteren Trennung von Text- (= öffentlichem, faktisch staatlich gesteuertem) und Anzeigen- (= privatem, wirtschaftlichem) Teil.
Indem der NS-Staat mit dieser Trennung der Verlagswirtschaft Anzeigeneinnahmen sicherte bzw. gar erhöhte, erkaufte er sich zugleich politisches Wohlwollen, mindestens aber Duldung. Damit wurde der Transport der NS-Propaganda über gedruckte Massenmedien materiell-infrastrukturell abgesichert.
(Liebert 2003, S. 83)
Paragraph 14 des NS-Schriftleitergesetzes verlangte aus den Zeitungen alles fern zu halten, „was eigennützige Zwecke mit gemeinnützigen in einer die Öffentlichkeit irreführenden Weise vermengt“. Absatz 6 der Geschäftsbedingungen für das Anzeigenwesen, erlassen vom Werberat der deutschen Wirtschaft, besagte, „dass eine redaktionelle Werbung im Textteil nur noch unter Geschäftliches, also außer Verantwortung der Schriftleitung aufgenommen werden kann, einer Textanzeige gleich zu achten und entsprechend preistreu zu bezahlen ist“. (Meunier 1933, S. 792, zit. nach Liebert 2003, S. 82)1
Die strikte Aufteilung der Zeitungsinhalte in (staatlich gesteuerten) Journalismus und (privatwirtschaftliche) Werbung ließ – jedenfalls offiziell – keinen Platz für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als einen eigenständigen, dritten Kommunikationsbereich. Der redaktionelle Teil wurde für „Sonderwünsche“ aus der Wirtschaft und allen anderen Gebieten des Lebens verschlossen, was konkret bedeutete, dass die Nutzung des Instruments Pressemitteilung erheblich eingeschränkt war. Zusendungen an die Presse durften nicht „pressemäßig“ und druckfertig geformt sein, sondern ihr nur als „Informationsmaterial“ bzw. „Unterlage“ dienen. Die „Pressemitteilung“ erfuhr zugleich begrifflich eine amtliche Diskreditierung, indem sie als „Waschzettel“ herabgestuft und bezeichnet wurde, deren Abdruck verboten war. (ZW 1939/4, S. 279, zit. nach Liebert 2003, S. 83)
NS-Staat verfeinerte Regelungswerk
Der nationalsozialistische Staat schuf eine „Beratungsstelle für redaktionelle Hinweise“, um die „unzulässige redaktionelle Wirtschafts-Werbung“ zu verhindern und die Trennung von Text- und Anzeigenteil in der Presse durchzusetzen. Diese „Stelle“ veröffentlichte umfangreiche Richtlinien mit vielen konkreten Beispielen, was erlaubt ist und was nicht. Sie erstreckten „sich vor allem auf jene zahlreichen Grenzfälle, wo sich eine schriftleiterische Berichterstattung mit privaten Interessen berührt und wo leicht Beeinflussungsversuche stattfinden könnten, so z. B. auf dem Gebiet der Veranstaltungen von Sport, Mode, Film, Reisen, Besprechung von Büchern und Schallplatten, Besichtigungen, Firmen- und Betriebsveranstaltungen u. dgl. mehr.“ (Heide 1940, Bd. 1, Sp. 159; zit. nach Liebert 2003, S. 83f.)
Auch staatlichen Stellen waren druckfertige Pressemitteilungen nicht mehr erlaubt
Staatliche Behörden und Staatsunternehmen, wie die Reichsbahn, hatten unter Berufung auf das „öffentliche Interesse“ an ihren Aufgaben und Dienstleistungen zunächst ihre Pressearbeit nicht wesentlich reduziert bzw. modifiziert. Ab 1938 änderte sich dies jedoch: Zwar bestehe ‚nach nationalsozialistischer Auffassung‘ für amtliche und halbamtliche Stellen eine Veröffentlichungspflicht. Der redaktionelle Teil der Zeitung müsse aber auf „Eigenarbeit“ beruhen. „Unter den Begriff ‚Waschzettel‘ fallen außer den Manuskripten von Werbungtreibenden (Wirtschaftskreisen) auch die Pressenotizen von Behörden und offiziösen Stellen.“ (ZW 1939/4, S. 280f. und 279) Die Reichsbahn beispielsweise durfte keine „fertigen Berichte“ mehr ausreichen: Von „den Presseverlautbarungen der Reichsbahn stehen als Unterlagen für die redaktionelle Behandlung (! – T. L.) frei Notizen über Personalien, Geschäftsberichte, Einfindungen und technischen Neuerungen, Ausstellungen, Sammelüberblicke über wichtige Sonderzüge und Fahrplanänderungen (ohne geschäftsmäßige Angaben), Wertung der Reichsbahnleistungen und Ähnl.“ (ZW 1939/4, S. 283, zit. nach Liebert 2003, S. 85)
Als „Schlussstein“ der Richtlinien für redaktionelle Hinweise einigten sich das Propagandaministerium und der Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger Anfang Dezember 1939, dass auch „amtliche Bekanntmachungen“ staatlicher und kommunaler Behörden nicht mehr im Textteil (insbesondere Lokalteil), sondern im Anzeigenteil unterzubringen seien. (ZW 1940/4, S. 1609; vgl. auch 1941/2, S. 85f., zit. nach Liebert 2003, S. 85)