Strategien der Inszenierung und Profilierung
Strategien und Praktiken der Inszenierung und Profilierung
1. Der (un-)nahbare Kaiser: Das „Spiel“ zwischen Macht-Repräsentation und Volksnähe
Die drei deutschen Kaiser – Wilhelm I. (1871-1888), Friedrich III. (1888) und Wilhelm II. (1888-1918) – waren gezwungen, ihren Machtanspruch zu repräsentieren und sich dabei der Öffentlichkeit zu stellen. Dies diente nicht nur dazu, ihr Amt zu rechtfertigen und herrschaftssichernde Mythen zu kreieren, sondern auch um Erwartungen der Untertanen zu bedienen, deren Enttäuschung ansonsten Macht gefährden würde. Dabei befanden sie sich auf einem häufig schmalen Grat zwischen Nahbarkeit und Unnahbarkeit.
Glaab spricht bezogen auf Wilhelm II. passend dazu von zwei „Monarchiekonzepten“:
Als ‚Herrscher von Gottes Gnaden‘ fühlte er sich über seine Untertanen und ihre Kritik erhaben. Gleichzeitig verstand sich Wilhelm aber auch als moderner Volkskaiser, der seinem Volk nahe sein und von seinen Untertanen geliebt werden wollte.
(Glaab 2008, S. 202)
Loyalität der Untertanen bedurfte eines nahbaren Kaisers, mit dem man etwas gemeinsam hatte. Das aufkommende Bürgertum des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts erwartete vom König oder Kaiser nicht nur, dass er „(…) ein guter militärischer und politischer Führer war, sondern auch ein tugendhaftes und häusliches Leben mit Kindern führte.“ (Asser/Ruitenberg 2002, S.17). Bilder und Filme im Urlaub und mit Gemahlin und Kindern sollten diesen Eindruck vermitteln.
Andererseits durfte nie der Eindruck verschwinden, dass der Kaiser auf einer höheren Stufe als das Volk steht und von einer „noch höheren Macht“ privilegiert ist. Das Amt eines gewählten Präsidenten kann und muss für alle erreichbar erscheinen, das des Kaisers darf es bei Strafe seiner Abdankung nicht. Diese Unnahbarkeit wurde und wird durch das märchenhafte und verträumt-entrückte Image, welches europäischen Fürstenhäusern anhaftet(e), sowie durch das Zelebrieren von dem Normalbürger unerreichbaren Reichtum, Pomp, Glanz und Gloria aufrechterhalten.
Dem diente auch der Mythos des „ewigen Kaiser(tums)s“, des immerwährenden, selbstbewussten und beständigen Kaiserhauses, welches in Frieden und Wohlstand regierte. Die berühmte Aufnahme „Vier Generationen Hohenzollern“ aus dem Jahre 1882 zeigt den Urgroßvater Kaiser Wilhelm I., der stolz seinen Urenkel, den ersten Sohn Wilhelm II., auf dem Schoß hält, links neben ihm stehend sein Sohn und Nachfolger Friedrich III. und rechts sein Enkel Wilhelm II.
Für Wilhelm II. resümiert Glaab:
Trotz der Kritik, die Wilhelms Reden und seine anderen PR-Mittel häufig in der deutschen Öffentlichkeit hervorriefen, erreichte Wilhelm mit ihnen doch zumindest eins seiner Ziele: Er wurde in der deutschen Bevölkerung als Volkskaiser wahrgenommen. Sein öffentliches Auftreten trug dazu bei, sein Image als moderner Monarch, der seinem Volk wesentlich näher stand als seine Vorgänger, zu festigen.
(Glaab 2008, S. 210)
2. Der von Gott (sowieso) und der Natur begünstigte Kaiser: Das „Kaiserwetter“
„Kaiserwetter“: Der sprichwörtliche Gebrauch dieses Terminus ist hinlänglich bekannt. Wenn man also vom Kaiserwetter spricht, meint man strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel. Der etymologische Ursprung des Wortes geht auf den letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. zurück, der bei seinen Auftritten stets strahlenden Sonnenschein, und damit auch film- und mediengerechtes Wetter, beanspruchte. War dies einmal nicht der Fall, ließ er kurzerhand Termine absagen.
Generell inszenierte sich Wilhelm II. wie ein Schauspieler. Dazu gehörten eben nicht nur das richtige Wetter und Licht, sondern auch die bewusst gewählte Kleidung. So kam es, dass er sich bis zu sechs Mal am Tag umzog (vgl. Oster 2005)1.