Deutsche Kaiser

Kaiser und Reich: Dynastische und staatliche Repräsentation

Abb.: Wilhelm I., seit 1861 preußischer König und deutscher Kaiser von 1871 bis zum 9.3.1888. Foto von 1880 am Schreibtisch in Berlin, Unter den Linden. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Abb.: Friedrich III., der „ewige Kronprinz“, Kaiser von 99 Tagen vom 9.3. bis 15.6.1888. Auf der Abb. von 1863 mit seinem Sohn Wilhelm (links), dem späteren Kaiser Wilhelm II. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Am 18. Januar 1871 wurde mit der Proklamation Wilhelm I. in Versailles zum deutschen Kaiser das (zweite) Deutsche Reich gegründet. Staaten, gerade auch neu entstehende, und staatliche Repräsentanten, sowohl Monarchen als auch Gewählte, entwickeln seit jeher mehr oder weniger starke Repräsentationsbedürfnisse (Wilhelm I. weniger als Wilhelm II.). Damit betreiben diese Repräsentanten zugleich – wie man heute sagen würde – „funktionale PR“.

Umgekehrt projizieren die Staatsangehörigen Bedürfnisse nach gesellschaftlicher Integration – abhängig vom Grad ihrer Identifikation – auch oder zuvörderst in den Staat und seine Symbole sowie Repräsentanten. Dies gilt sowohl für vordemokratische als auch für aufgeklärte, moderne Staatswesen. Offensichtlich werden manche dieser Bedürfnisse sogar besser von adligen als von gewählten Repräsentanten bedient, wie das Festhalten mancher heutiger Demokratien an monarchischen Staatsoberhäuptern zeigt. „Symbolisierung ist Grundbedürfnis und Bedingung sozialer Existenz“ und „ein wesentliches Element der Herstellung von Öffentlichkeit“ (Sarcinelli in Gauger/Stagl 1992, S. 162 und 164).

Die „Nationenbildung von oben“ 1871 schuf auch veränderte Rahmenbedingungen für Kommunikation im vormals zersplitterten Deutschland. Aus Kaiser-Dynastie und Reichs-Staatlichkeit erwuchsen neue und „glanzvollere“, komplexere und differenziertere Informations- und Darstellungsbedürfnisse. Reichsinstitutionen, wie das Auswärtige Amt, betrieben Presseabteilungen und damit institutionalisierte PR, wenngleich Repression (Zensur, Bestechung) und (aktive) Pressearbeit noch ineinander übergingen (u. a. Kunczik 1997, S. 96-108).

Kaisertum in einer Gesellschaft des Wandels

Abb.: Wilhelm II. (1905), Kaiser von 1888 bis 1918. Quelle: Bundesarchiv , Bild 146-2004-0096/E. Bieber/CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Der ‚nationalmonarchistische Obrigkeitsstaat‘ war von einer Demokratie noch weit entfernt (so wurden oppositionelle Parteien bekämpft), dennoch stieg die Rolle von Öffentlichkeit, organisierten Interessen (Verbandswesen, Parteien) und Medien (Reichspressegesetz von 1874 sicherte zumindest formal die Pressefreiheit). Dies zeigte sich auch darin, dass das neue deutsche Kaisertum nicht zäsaristisch, autokratisch „konstruiert“ werden konnte, sondern mit Reichskanzler (Bismarck!) und Reichstag weitere Macht- bzw. Repräsentationszentren bestanden.

Die Wandlungen in Politik und Gesellschaft vollzogen sich vor dem Hintergrund beispielloser wirtschaftlicher, technologischer und kultureller Entwicklungen (Industrialisierung, Eisenbahnbau, Post- und Telegrafenwesen, Medieninnovationen) und beflügelten diese wiederum. (Vgl. dazu Goros 1998, S. 59-96, und Liebert 2003, S. 11-29.) Die sich herausbildenden Massen-Medien mit ihren auch unterhaltenden Funktionen für Massen-Publika, den Trends zu Visualisierung und Personalisierung, und darstellungsfreudige Kaiser sind hier durchaus im Zusammenhang zu sehen. Insbesondere aus der zeitweise starken Stellung des Reichskanzlers erwuchsen auch Profilierungsbedürfnisse des Kaisers als Funktion und Person, die nicht auf bloße dynastische oder Staatsrepräsentation reduziert werden können.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Wilhelm II. (1905), Kaiser von 1888 bis 1918. Quelle: Bundesarchiv , Bild 146-2004-0096/E. Bieber/CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/