Kommunikative Rollen

Wedekind im Rollenkonflikt

Wedekinds Arbeit für Maggi währte nicht lange, befruchtete aber beide Seiten – auch wenn sowohl der Unternehmer als auch der Literat diese Kooperation auf Zeit wohl nicht als ideal ansahen. Aus Maggis sehr unterschiedlichen Kommentaren, mit Noten versehen, lässt sich schließen, dass er nicht alle Arbeitsergebnisse für gut und brauchbar hielt.

Aus Wedekinds Bemühen, den Vertrag bald wieder zu lösen, spricht Unbehagen, das vor dem Hintergrund des späteren Schaffens des Dramatikers verständlich ist. Wedekind übte in seinen künstlerischen Stücken meist tiefgreifende Gesellschaftskritik insbesondere am Bürgertum. Kaum verwunderlich, dass er seine Zeit im Dienste Maggis als einförmig und unbefriedigend empfand.

Wedekind als Multi-Rollen-Kommunikator

Abb.: Titel von Wedekinds Grablegung, Requiem von Heinrich Lautensack aus dem Nachlass. 1919. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei, Public Domain).

Die Wedekind-Forschung gehe allerdings davon aus, wie Kunczik (1997, S. 218) resümiert, dass die kurze Zeit bei Maggi prägend und förderlich für sein späteres Schaffen war. Vor allem habe sie den Blick des Intellektuellen für sein Publikum geschärft. Die strengen Vorschriften und Zensuren von Julius Maggi setzten Wedekind – genau wie die dürftige Bezahlung – unter enormen Zeit- und Leistungsdruck. Dadurch lernte er, seine Texte optimal auf die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppen zuzuschneiden.1

Wedekind erfuhr bei Maggi die Abhängigkeiten von Kunst und Kommerz in extremer Weise, was ihm später nützlich sein sollte. Die Werbe- und PR-Tätigkeit war eine gute Schule für den sich entwickelnden kapitalistischen Kunstbetrieb.2

Wird Wedekind heute rückblickend vor allem als Dramatiker und Künstler gewürdigt, so ist darauf hinzuweisen, dass er als Schriftsteller und Journalist, als PR- und Werbetexter bei Maggi oder in gewisser Weise auch als Zirkussekretär eine biografische Linie als Kommunikator aufweist. Indem er dabei in verschiedenen Rollen – sowohl als unabhängiger als auch als Auftrags-Kommunikator – auftrat, stellt er eine interessante Figur der Kommunikations-, Medien- und PR-Geschichte dar.3

Autor(en): A.H.T.L.

Anmerkungen

1 Kieser 1992, S. 11-13.

2 Vincon 1992, S. 237. Kieser 1992, S. 20.

3 Vgl. auch Brockhaus 1994, 23. Bd., S. 675.