Ur- und Frühformen: Text-Reklamen

Ur- und Frühformen: Text-Reklamen unterlaufen Trennung von redaktionellem und Anzeigen-Teil

Journalismus und Werbung

Abb.: Redaktionelle Nahrungsmittelwerbung, hier für Maggi. Besonders raffiniert ist die scheinbare „journalistische“ Distanzierung von der Firma Maggi. Quelle: Cronau, Rudolf (1887): Das Buch der Reklame. Geschichte, Wesen und Praxis der Reklame. Ulm.

Zentral wichtig für die Betrachtung der Informationsflüsse von Unternehmen und Organisationen an die Presse ist, dass die Presse selbst nicht nur eine publizistische, sondern eine wirtschaftliche Unternehmung darstellt und dabei ausnutzt, dass Informanten für bestimmte – vor allem geschäftliche – Informationswünsche (insbesondere Bekanntmachung von Leistungen und Produkten) Geld zu zahlen bereit sind. Daraus ergab sich eine „strukturelle Kopplung“ zwischen Journalismus und Werbung, die noch heute andauert.

Die Scheidung des Gebildes Zeitung zwischen dem Stoff, der „Nutzen fürs Allgemeine“ hat, und dem, der „den Vorteil des Einsenders betrifft“, bildete ein klassisches Axiom der deutschen Zeitungswissenschaft und ist im Grunde auch noch heute für unser Denken bestimmend.

Otto Groth wies allerdings in seinem Werk über das „System der Zeitungskunde (Journalistik)“ auf die Geschichtlichkeit dieser Zweiteilung hin, die es erst seit Ende des 18. Jahrhunderts gebe.

Vorher seien …

(…) bezahlte(n) Anzeigen nicht selten ohne Bedenken mitten in den redaktionellen Teil“ gestellt worden. „Dass weder der Presse noch dem Publikum diese Vermengung als schädlich und unzulässig zum Bewusstsein kam, lag darin, dass der Zeitung lediglich der Nachrichtencharakter zugestanden war und diesen ja auch der Inseratenteil trug. Man dachte nicht eine Grenze zu ziehen, da auch die Anzeigen, wie die politischen, vermischten, wirtschaftlichen Nachrichten, in der Hauptsache tatsächliche Mitteilungen an die Leser waren, noch kein ‚Räsonement‘ enthielten, keinen Propaganda-(Reklame-) Charakter hatten (…)“. Erst mit dem Augenblick, „wo die Tagespresse das öffentliche Amt des Lehrers, Beraters und Führers übernahm, musste dieses auch von dem privaten Amt des Maklers getrennt werden.

(Groth 1930, S. 299f., zit. nach Liebert 2003, S. 79)

Redaktionelle Reklame

Diese Trennung brachte auch den Drang hervor, sie ggf. zum eigenen Vorteil zu unterlaufen. Zeitungswissenschaftler Karl Bücher schrieb rückblickend, dass „zwischen dem redaktionellen und dem Annoncenteil die Reklame entstanden“ sei. Wobei er Reklame hier nicht im umfassenden Sinne von Werbung, sondern von „Textreklamen“, also textliche Schleichwerbung, meinte, „welche ersichtlich auf Täuschung des Publikums berechnet ist, und vollends lässt sich nicht verhindern, dass lobende Besprechungen im redaktionellen Teile als Nebenleistung bei der Aufgabe kostspieliger Inserate ausbedungen und gewährt werden, oder dass reiche Annonceneinnahmen dort als Schweigegelder wirken.“ (Karl Bücher 1912/1926. Zit. nach: Fischer/Minte /Hrsg./ 1981, Abschnitt Typologie und Inhaltsausprägungen von Zeitungen, S. 254.)

Bereits lange vor Bücher hatte Heinrich Wuttke 1866 auf diese „Reclame“ hingewiesen, die in Frankreich um 1821 aufgekommen sei.1 Eine typische Bezeichnung innerhalb der Fachdiskussion im 19. und 20. Jahrhundert lautete „redaktionelle Reklame bzw. Werbung“.

Abb.: Redaktionelle Heilmittelreklame. Quelle: Cronau, Rudolf (1887): Das Buch der Reklame. Geschichte, Wesen und Praxis der Reklame. Ulm.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Wuttke 1866, S. 6f. Vgl. auch Bentele/Liebert 2005, S. 231.