Ziele und Inspirationsquellen der Kampagne II
Fristigkeit der Ziele
Eine ähnliche Kampagne (siehe vorherige Seite) sollte demnach auch im deutschen Kaiserreich sowohl kurz- als auch langfristige Ziele erreichbar machen. Kurzfristig gesehen sollte die Kampagne dazu führen, dass die Flottengesetze im Reichstag angenommen werden. Da die Expansion der Flotte zudem ausgesprochen kostenintensiv war, wurde dringend eine Zustimmung des Reichstages zum wachsenden Marineetat benötigt. Die Billigung sollte durch die verschiedenen Maßnahmen der Kampagne forciert werden.
Langfristig wurde mit der Flottenpropaganda bezweckt, die Popularität der Marine zu steigern und sie in den Köpfen der Bürger dauerhaft zu verankern. Es wurde erwartet, dass durch die kommunikativen Anstrengungen überdies der Nachwuchs der deutschen Marine auf lange Sicht gesichert werden könne.1 Das vorrangige Problem dabei bestand nicht etwa in einem verbreiteten Anti-Militarismus der deutschen Bevölkerung, sondern in maritimer Uninteressiertheit des nur im Norden an Meere grenzenden Reiches:
Schon zu Beginn der 1890er-Jahre konnte jede kaiserliche Regierung mit der ‚allgemeinen Militärfrömmigkeit der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Schichten‘ fest rechnen. Diese bezog sich jedoch kaum auf die Marine.
(von Bredow 1978, S. 701)
Vorstufen der Kampagne
Schon bevor von Tirpitz 1897 zum Chef des Reichsmarineamtes und mit der eigentlichen Kampagne begonnen wurde, gab es seit 18942 erste Ansätze zur Beeinflussung der Presse.
Zunächst „entschied das Reichsmarineamt am 19. Januar 1894, dass die Marine (…) allgemein bekannter gemacht werden sollte“ (Götter 2016, S. 31). Diese vom Kaiser „befohlene Kampagne“ (so bei Kunczik 1997, S. 106ff.) wies aber noch viele Mängel und Unzulänglichkeiten auf. Allerdings konnte von Tirpitz Erfahrungen sammeln und Ideen reifen lassen. Tirpitz, damals noch Kapitän zur See, war Stabschef im Oberkommando der Marine und vom Behördenleiter Admiral Maximilian Freiherr von der Goltz mit der Leitung der Medienarbeit betraut worden. Die praktische Umsetzung oblag dem Pressereferenten Kapitänleutnant Friedrich von Ingenohl, später Kapitänleutnant Eugen Weber.3
Auch andere Akteure – so der Alldeutsche Verband – begannen ab Mitte der 1890er-Jahre für einen Flottenausbau zu werben.4
Anmerkungen
1 Vgl. Götter 2011, Hobson 2005 und Bollenbach 2009. Auch Kunczik 1997, S. 111f.
2 Bezogen nicht nur auf die Marine, sondern auf Militärpolitik insgesamt, wäre auch schon die Kampagne für die Wehrvorlage 1893 zu nennen. Diese wurde von Major August Keim im Stab des Reichskanzlers organisiert (vgl. Götter 2016, S. 31).