Aufkommen der ersten Pressekonferenzen

Wann kamen die ersten Pressekonferenzen auf?

Dass die heute selbstverständliche Veranstaltungsform „Pressekonferenz“ im staatlich-politischen Bereich historisch auftreten konnte, war an mindestens zwei Bedingungen geknüpft:

a) Öffentlichkeit und Presse mussten sich wenigstens ansatzweise als eigenständige Faktoren in der Gesellschaft herausgebildet haben und nicht als bloße Annexe von Staat und Politik fungieren.

b) Staatliche Institutionen mussten ein Interesse daran entwickelt haben, diese Eigenständigkeit in ihrer Informationspolitik zu nutzen, oder zumindest in eine solche Lage gekommen zu sein, diese zu akzeptieren. Oder anders gesagt: An die Stelle der bisherigen restriktiven, repressiven musste zunehmend eine aktive Pressepolitik treten, die nicht auf Zensur, sondern Information und Vertrauen setzt. Gerade für die deutsche Geschichte ist anzunehmen, dass die ersten Pressekonferenzen nicht demokratischer Gesinnung entsprachen, sondern eher der zwangsweisen Einsicht, dass das Regieren ohne die Presse und deren Einfluss auf die Öffentlichkeit nicht mehr ging.

So muss es keinen Widerspruch darstellen, dass die vermutlich ersten Pressekonferenzen im Ersten Weltkrieg (Kriegspressekonferenzen) stattfanden – in einer Zeit also, in der der Preis des Regierens hoch war und die Haltung der Bevölkerung eine wesentliche Rolle spielte.

Auch wenn der Fokus folgender Seiten auf dem staatlich-politischen Sektor liegt, lässt sich sagen: In den 1920er-Jahren hatte sich die Pressekonferenz – nun noch begünstigt durch die Demokratie als Staats- und Gesellschaftsform sowie den damit einhergehenden Organisationspluralismus – schnell auch in anderen Lebensbereichen etabliert. Dies ist aus dem sarkastischen Stöhnen eines niedersächsischen Journalisten von 1921 zu entnehmen:

Zwar sei man schon früher zu …

(…) Besichtigungen“ eingeladen worden, eine „Errungenschaft der Nachkriegszeit“ seien aber „fraglos die Pressekonferenzen“. Man veranstalte „gewöhnlich an einem Sonntag, um dessen Arbeitsruhe wir kämpfen, eine Besprechung mit den ‚Herren der Presse‘. Dann werden wir gestreichelt, mit der Sauce zahlreicher aufklärender Vorträge, deren Inhalt möglichst ‚populär‘ gehalten ist, überschüttet, und schließlich werden wir ermahnt, nun aber auch recht artig zu sein und uns mehr als bisher gerade diesen wichtigen Organisationen zu widmen. Gewöhnlich folgt ein Imbiss, der in sehr vielen Fällen nicht nur das Angenehmste, sondern auch das Vernünftigste an der ganzen Sache ist.

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Vorformen der Pressekonferenzen und andere Presseveranstaltungen

Aus dem obigen Journalisten-Zitat geht hervor, dass Vorformen der Pressekonferenz – wie Presse-„Besichtigungen“ (also Vor-Ort-Einladungen von Medienvertretern) – schon früher, auch vor dem Ersten Weltkrieg, auftraten.2 Vermutlich ist das persönliche Gespräch zwischen einem Journalisten und Organisationsvertreter eine weitere Keimzelle, die dann als Angebot einer „Sprechstunde“ und schließlich mit mehreren Journalisten zur Presse-„Besprechung“ (dieser Begriff war beispielsweise in der kommunalen Pressearbeit der Stadt Leipzig in der Zwischenkriegszeit neben Pressekonferenz noch üblich – T.L.) „rationalisiert“ wurde. Organisierte kollektive Kontakte zwischen Behörden-, Fraktions- und Pressevertretern sind beispielsweise bei Kommunen auch vor 1914 nachweisbar. Anlässlich einer Delegiertenkonferenz deutscher Journalisten-Vereine 1907 lud die Stadt Leipzig zu einer „Besichtigung“ des Rathauses mit „Frühstück“ im Ratskeller ein, an dem Mitglieder des Rates und des Stadtverordneten-Kollegs teilnahmen. Abends schließlich fand eine „Zusammenkunft“ von Stadtrat und Pressevertretern in der Gaststätte Thüringer Hof statt. (Stadtarchiv Leipzig3)

Auch in der Weimarer Republik zogen Kommunen bei Pressereisen alle Register in Form von Besichtigungen und Empfängen, wie ein Besuch österreichischer Journalisten 1925 in Leipzig zeigt:

Nach einer Besichtigung des Völkerschlachtdenkmals, des Ausstellungsgebäudes für die Technische Messe und der Deutschen Bücherei begaben sich die österreichischen Gäste zu einem von der Stadt gegebenen Essen in den Ratskeller, wo Oberbürgermeister Dr. Rothe die Herren (sic!) im Namen der Stadt willkommen hieß. (…) Nach kurzem geselligen Beisammensein reisten die Gäste (…) weiter (…).

(Nachrichtenagentur WTB, 27.9.1925).

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 T.: Pressekonferenzen (1921). In Niedersächsische Presse. Mitteilungen des Vereins Niedersächsische Presse e. V. Hannover. 1. Jg. (1921)7. Bl. 3. Zit. in: Liebert, Tobias: Der Take-off von Öffentlichkeitsarbeit. Beiträge zur theoriegestützten Real- und Reflexions-Geschichte öffentlicher Kommunikation und ihrer Differenzierung. Leipzig: Lehrstuhl für ÖA/PR, 2003. S. 55.

2 Diese organisierten „Pressebesichtigungen“ sind vermutlich die aktive und rationalisierte Form der Reaktion auf Besichtigungswünsche einzelner Journalisten. Solche Ansinnen dürften zumindest gegenüber großen oder prominenten Organisationen historisch schon frühzeitig geäußert worden sein. Immerhin glaubte sich Krupp schon 1855 veranlasst, ein ausdrückliches Fabrikbesichtigungsverbot für Fremde auszusprechen, das sich auch gegen Zeitungsvertreter richtete. Vgl. dazu: Bieler, Denise: Public Relations und Massenkommunikation. Einrichtung von Pressestellen um die Wende des 20. Jahrhunderts. Baden-Baden: Nomos, 2010. S. 190. Später lud die Firma Krupp die Öffentlichkeit ausdrücklich zu Veranstaltungen, wie dem Versuchsschießen, ein. Vgl. dazu u. a. Kunczik, Michael: Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 1997. S. 195. Wolbring, Barbara: Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. München: Beck, 2000. S. 220 u. a.

3 Akten, den Verband Deutscher Journalisten- und Schriftsteller-Vereine betreffend. Stadtarchiv Leipzig, Kap. 35, Nr. 848.

Ein Zeitdokument: Pressekonferenzen der Stadt Leipzig im Jahre 1926

PB_und_PK_Leipzig_1926_VW_S._17

Abb.: Pressekonferenzen und Pressebesichtigungen als Standardinstrumente kommunaler Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Leipzig in der Weimarer Republik. Quelle: Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig 1926. S. 17. Neben dem Begriff „Pressekonferenz“ wird auch die Bezeichnung „Pressebesprechung“ gebraucht.