„Public Relations“ in den 1920er-Jahren

Rezeption von USA-Entwicklungen im Werbewesen

Die erste Begriffsverwendung von PR im deutschsprachigen Raum kommt nicht Carl Hundhausen, sondern nach derzeitigem Erkenntnisstand Viktor Mataja schon in der Zeit der Weimarer Republik zu. „Werbepapst“ Mataja schrieb in der vierten Auflage 1926 seines Standardwerkes Die Reklame:

Eine dem Reklamewesen und den Presseleitungen verwandte Erscheinung sind überhaupt die Vorkehrungen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Verbreitung von Nachrichten, deren Kenntnisnahme durch die Bevölkerung man als vorteilhaft ansieht. Für Sachverständige hierbei wurde auch schon die Bezeichnung als ‚public relations counsel‘ geprägt.

(Mataja 1926, S. 158)1

Mataja verwies dabei auf Edward Bernays.2 Der amerikanische PR-Nestor hatte 1923 sein Buch Cristallizing public opinion verfasst, das 1926 erneut erschien.

In seiner dritten Auflage von 1920 hatte Mataja public relations noch nicht namentlich erwähnt, wohl aber die Sache an sich und ihren Unterschied zur klassischen Werbung beschrieben. Es hebe sich eine „Reklame heraus, die nicht auf Anempfehlung oder Verkauf bestimmter Waren gerichtet ist, sondern nur im Allgemeinen die Leistungen, Bedeutung, Größe eines Unternehmens vor Augen führen“ wolle.

Im klassischen Lande der Reklame, in Nordamerika, wird mehrfach dieser Seite des Gegenstandes als sog. institutional advertising, das zur Pflege der Stimmung, zur Erhebung des Verständnisses und als Stütze des Ansehens bei der Bevölkerung für eine Einrichtung wirkt, auf vielen Seiten großer und in Zukunft wachsende Bedeutung beigemessen, wenngleich es auch dort noch als etwas Neues gilt. Man nennt daher auch das Ankündigungswesen den Pressedienst der Geschäftsunternehmungen, schreibt ihm die Aufgabe und die Fähigkeit zu, der Bevölkerung das Wesen der Industrie und die Beschaffenheit der Einrichtung zu verdeutlichen, die hinter den dargebotenen Gütern steht.

(Mataja 1920, S. 64f.)3

Wer war Viktor Mataja?4

Viktor Mataja wurde am 20. Juli 1857 in Wien geboren und ist am 19. Juni 1934 gestorben. Nach einem juristischen Studium mit Promotion war er als Volkswirtschaftler und Sozialpolitiker tätig. Ab 1890 arbeitete er als Universitätsprofessor in Innsbruck, ab 1893 war er im Dienst der Wiener Handelskammer.

Mataja hat die österreichische Politik im ausgehenden k. u. k. Reich mitgeprägt. Zunächst hatte er zwei Mal die Leitung des Handelsministeriums inne. 1917 agierte er als Minister ohne Portefeuille und organisierte das neue Ministerium für soziale Fürsorge, das er 1918 leitete.

Ab 1892 stand Mataja an der Spitze des Handelstatistischen Dienstes, ab 1898 auch des Arbeitsstatistischen Dienstes und war 1914-17 sowie 1919-22 Präsident der Statistischen Zentralkommission. 1922 ging er in Pension.

Mataja engagierte sich stark für das Werbewesen. 1910 erschien die erste und 1916 die zweite Auflage seines Standardwerkes Die Reklame. Indem er sich einem damals noch wenig beachteten Feld zuwandte, wurde er zu einem Begründer der Werbewissenschaft im gesamten deutschsprachigen Raum.

Autor(en): T.L.A.S.

Anmerkungen

1 Vgl. auch Liebert 2003, S. 131. Im Original Preßleitungen.

2 Mataja 1926, S. 158.

3 Vgl. auch Liebert 2003, S. 103f.

4 Darstellung nach Höbelt 1990, Mataja 1975 und http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Mataja