„Öffentlichkeitsarbeit“ 1917 (II)

Wer war August Hinderer?1

Kurzbiografie

Geboren wurde August Hermann Hinderer am 8. August 1877 in Weilheim unter Teck, im Nachbarort Kirchheim unter Teck ist er am 27. Oktober 1945 gestorben. Dazwischen liegen als Stationen Maulbronn und Blaubeuren für die Schulzeit, Tübingen, Greifswald und Halle in den Studienjahren, mehr als ein halbes Dutzend Gemeinden während der Jahre im unständigen Pfarrdienst der württembergischen Landeskirche, ein Jahrzehnt in Stuttgart bei der Evangelischen Gesellschaft und schließlich Berlin.

August Hinderer war das fünfzehnte und jüngste Kind von Georg Christian Hinderer (1823-1897). Seine Mutter Anna Maria, geb. Kurz, (1839-1903) war die zweite Frau des Vaters. Georg Christian Hinderer war von Beruf Lehrer, zur Zeit der Geburt seines Jüngsten hatte er es zum Mittelschulmeister und Oberlehrer in Weilheim gebracht. Seine zweite Frau Anna Maria hat er als Witwer geheiratet.

Seine Kindheit und Jugend verlebte Hinderer in Böblingen, wohin sein Vater 1883 versetzt worden war. Er besuchte die dortige Lateinschule und trat 1891 in das Theologische Seminar in Maulbronn ein. 1893 siedelte Hinderer nach dem Theologischen Seminar in Blaubeuren über und begann 1895 in Tübingen mit dem Studium der Theologie, das er in Greifswald und Halle (Saale) fortsetzte und 1900 in Tübingen mit der ersten theologischen Dienstprüfung abschloss. Nach seiner zweiten Prüfung wurde Hinderer 1907 Leiter der literarischen Abteilung in der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart, und der König von Württemberg verlieh ihm den Titel eines Pfarrers. 1908 übernahm August Hinderer die Schriftleitung des Evangelischen Gemeindeblattes für Württemberg und gab ihm bald eine größere Ausdehnung: In seiner feinsinnigen, geistreichen Art zog er viele Stoffe hinein, um auch den Ansprüchen der gebildeten Schichten unter den Lesern gerecht zu werden.

Chef des evangelischen Presseverbandes

Abb.: Faksimile des Titels des Zeitungsspiegels, einer von Hinderer herausgegebenen Fachzeitschrift zum Zeitungswesen aus evangelisch-kirchlicher Sicht. Quelle: Hinderer 1929.

Hinderer wurde 1916 hauptamtlich Direktor des 1911 gegründeten Evangelischen Presseverbandes für Württemberg und wirkte seit 1918 als Direktor des Evangelischen Presseverbandes für Deutschland in Berlin-Steglitz.

Nach 1933 war Hinderer zeitweilig seines Amtes enthoben. „In der NS-Diktatur lavierte Hinderer riskant zwischen den Machtblöcken der Nazis und rettete dadurch sein Lebenswerk, doch entging er 1934 nur knapp seiner Hinrichtung.“ (EKD 2010) Am 26. Juni 1934 wurde August Hinderer verhaftet und in das SS-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße, dann in das Columbiahaus gebracht. Durch Bemühungen seiner Freunde gelang es, dass er am 29. Juni freigelassen wurde. Die „im evangelisch-kirchlichen Raum erscheinenden Informationsdienste und Rundschreiben“ (also insbesondere der epd) waren „als politische Zeitschriften zu betrachten und zu behandeln“, erklärte am 30. Juni 1937 der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. Unter Schwierigkeiten gelang es Hinderer, den Presseverband weiter zu führen. Kritiker werfen der Organisation allerdings zu große Anpassung vor: „Weil der epd die NS-Propaganda linientreu in den kirchlichen Raum transportierte, durfte er bis 1941 weiter erscheinen.“ (Lilienthal 2009, S. 6f.)2 Durch eine Verordnung der Reichspressekammer vom 1.6. 1941 wurden die kirchlichen Zeitschriften mit wenigen Ausnahmen gezwungen, ihr Erscheinen einzustellen.

August Hinderer hat sich mit seiner Weiterarbeit unter diesen Bedingungen zwischen alle Stühle gesetzt: Vom Staat wurde der EPD mit der Kirche identifiziert, obwohl er ein freies Werk war. Den (nationalsozialistisch bewegten) Deutschen Christen wiederum war Hinderer als Anhänger der Bekennenden Kirche verdächtig. Die allerdings nahm es ihm übel, dass er sich nicht offen auf ihre Seite stellte, sondern ihre Arbeit nur verdeckt begünstigte, etwa durch verzögerte Weitergabe von Informationen an die andere Seite. Ein offener publizistischer Widerstand, wie er seinerzeit von Einzelnen gefordert wurde, war unter den Bedingungen einer Diktatur nicht möglich, ohne die publizistischen Mittel einzubüßen.

(Höckele-Häfner 2003, S. 60f.)

Von einer Dienstreise nach Württemberg im März 1945 konnte Hinderer infolge der kriegerischen Ereignisse nicht mehr nach Berlin zurückkehren und verstarb in seiner Heimat.

Autor(en): A.S.

Anmerkungen

1 Darstellung nach Höckele-Häfner 2001, Mehnert 1983, Kupisch 1972. Vgl. auch: http://www.epd.de/zentralredaktion/epd-zentralredaktion/artikel/daten-zur-epd-geschichte-chronologie

2 Dort auch: August Hinderer, damals Direktor des Evangelischen Presseverbands, gab seinen Mitarbeitern am 12. Februar 1941 in einem Rundschreiben „streng vertraulich!“ die Erfahrungen eines „alten Schriftleiters“ zur „Kriegsaufgabe der kirchlichen Presse“ auf anderthalb Seiten zustimmend zur Kenntnis. Auszüge: „Passives Beiseitestehen (…) grenzt in solcher Zeit an Landesverrat. (…) Die Aufgabe der kirchlichen Presse muss positiv darin bestehen, die Seelen stark zu machen. (…) Man kann nicht auf der Titelseite Haltung haben und am Ende meckern oder in der Mitte klagen über die Not der Zeit. Das ist keine Haltung, das ist Defaitismus. (…) Man muss heute auch schweigen können.“