Ziele und Inspirationsquellen der Kampagne I
Motive der Flottenpolitik
Die Flottenpolitik an sich war ein breites Thema, das viele verschiedene Anspruchsgruppen mit unterschiedlichsten Motiven verfolgten. Es beinhaltete sowohl sozial- und wirtschaftspolitische als auch kolonial- und allgemein machtpolitische Elemente.1
Die Möglichkeit eines Seekrieges beeinflusste zunehmend die militärischen Planungen. Als potenzielle Gegner im Seekrieg wurden bis in die neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts Russland, Frankreich und Dänemark betrachtet, als noch die Vormachtstellung in der Nord- und Ostsee Zielgegenstand der Überlegungen war. Mit dem Imperialismus und der aufkommenden Idee einer deutschen Weltpolitik richtete sich der Blick aber bald nach Übersee, womit die vorherrschende Seemacht England zum Gegner wurde. Dieses Umdenken wurde vor allem von Alfred von Tirpitz angetrieben.2
Zielbestimmung beruht auf Vorbild
Um die Motive der Flottenpolitik zu unterstützen, wurde eine strategische Kampagne entwickelt, die über ein Jahrzehnt andauern sollte. Der Flottenaufbau war für zwei Jahrzehnte geplant, was der Erste Weltkrieg am Ende aber durchkreuzte. Obwohl nicht bekannt ist, dass ein zentrales, aus strategischen Vorgaben abgeleitetes Kommunikationskonzept mit einem Plan von Zielen ausgearbeitet wurde3, lassen sich solche feststellen.
Alfred von Tirpitz, der neue Staatsekretär des Reichsmarineamtes, ließ sich dabei deutlich von der britischen Flottenkommunikation von 1884 bis 1893 inspirieren, welche die Marine des Vereinigten Königreiches „so mächtig wie nie zuvor“ (Geppert 2007, S. 238) hatte werden lassen. 1897 ließ Tirpitz den Marineattaché in London, Korvettenkapitän Ernst Gülitz oder Gülich, die wesentlichen Aspekte der englischen Kommunikationsarbeit zum Flottenbau zusammenfassen. Diese Studie unter dem Titel „Schilderung der Bewegung im englischen Volke, welche zur starken Vergrößerung der englischen Marine in den letzten 10-20 Jahren geführt hat“ zeigt eindeutige Parallelen zur deutschen Flottenkampagne auf, vor allem bei der Pressearbeit.4
Anmerkungen
2 Vgl. Berghahn/Deist 1988, S. 80 f. und S. 89; Epkenhans 1991, S. 15f.
3 Vgl. Bollenbach 2009, S. 65.
4 Vgl. Geppert 2007, S. 235 ff., und Götter 2016, S. 32. Kunczik 1997 widmet der englischen Kampagne ein eigenes Unterkapitel (S. 122f.). Zur Namensschreibweise: Gülitz bei Geppert und Kunczik, Gülich bei Götter.