Historische Anfänge vor 1888

Abb.: Friedrich List, Lithografie von Josef Kriehuber, 1845. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

In der deutschen Fachliteratur wird in der Regel der Schlierbacher Fabrikbote von 1888 als erste Werkzeitschrift Deutschlands geführt. Als vollständig gesichert kann dies aber nicht gelten. Betrachten wir im Folgenden einige frühe Impulse und Gründungen.

Friedrich List in Sachsen

Leipzig, 1834. Die Großmanufakturen der industriellen Ära liefen im Königreich Sachsen, der damaligen „Werkstatt Deutschlands“, auf Hochtouren. Die Belegschaften dieser seinerzeit modernen Organisationen zählten bereits Hunderte von Arbeitern, die informiert und von der Unternehmensleitung geführt werden mussten. Denn funktionale Organisationen erheischen ein einheitliches und koordiniertes Wirken, das ohne Kommunikation nicht erreichbar ist. Zugleich sollten die Organisationsangehörigen – aus Sicht der Herrschenden – beeinflusst werden. Denn die Arbeiter artikulierten zunehmend eigene Bedürfnisse und Einschätzungen, die den unternehmerischen und gesellschaftspolitisch herrschenden Auffassungen häufig zuwiderliefen. Den Nährboden dafür bildeten der rasante sozialökonomische Wandel zur Industriegesellschaft, schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen, empfundene soziale Ungerechtigkeit und politische Unfreiheit. In den Fabriken drohten soziale und politische Unruhen.

Die innerbetriebliche Kommunikation in Form von persönlichen Ansprachen, Flugblättern und Plakatmitteilungen konnte dem immer komplexer werdenden Betriebsleben und den zunehmenden Einflüssen von innen und außen nicht mehr gerecht werden. Friedrich List – ein vielseitiger Innovator1 des 19. Jahrhunderts – schrieb an den Verleger Georg von Cotta2 über eine damals neue Idee, für die sächsischen Fabrikanten ein Journal für Fabrikarbeiter herauszugeben. Dieses sollte die Arbeiter „über ihr Interesse aufklären und sie unterrichten“.3 Hätte List seinen Vorschlag verwirklichen können, so wäre das „Journal“ womöglich die erste Werkzeitschrift der Welt geworden.

USA und Saarland

13 Jahre später gebühre einer amerikanische Zeitschrift dieser Titel, meint jedenfalls eine Quelle. Ein amerikanischer Unternehmer aus Vermont soll 1847 die erste Mitarbeiterzeitschrift herausgegeben haben.4

Im Saarland sei „1870 die Werkszeitung Der Bergmannsfreund gegründet (worden) – als Sprachrohr der Bergwerksverwaltung. Die Zeitung manipulierte politisch – und war bei den Bergleuten zunächst wenig beliebt“ (Brenner 2012). Sie erschien dreimal wöchentlich.5 Herausgeber war die Königlich (Preußische) Bergwerks-Direction zu Saarbrücken, die spätere Saarbergwerke AG.6 Der Bergmannsfreund – der 1919 eingestellt wurde, aber in den späteren Mitarbeiterzeitschriften Schacht und Heim, Saarberg und Steinkohle Nachfolger fand – habe Geschichte geschrieben: „Es handelte sich dabei nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit um die allererste von einem Unternehmen direkt an die Mitarbeiter gerichtete Werkspublikation – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern zumindest europa-, wenn nicht gar weltweit.“ Bisher habe noch niemand den Gegenbeweis erbracht, triumphiert die Saarbrücker Zeitung (Brenner 2012).

Delft in den Niederlanden

Abb.: J.C. van Marken und A.W.J. van Marken-Matthes um 1890. Foto: Charles Abraas. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

In Europa begann – jedenfalls nach heutigem allgemeinen Erkenntnisstand – die Geschichte der Fabrikzeitung erst um 1882 im niederländischen Delft in der Nederlandschen Gist- & Spiritusfabriek NV, mit dem ersten europäischen Werkjournal – De Fabrieksbode. Der 1869 gegründeten Hefe- und Nahrungsmittelfabrik stand das Unternehmerpaar Jacob van Marken und Agneta Matthes vor. Es war sehr arbeitnehmerfreundlich und sozial eingestellt, gründete einen Betriebsrat und schuf den „Fabrikboten“.7 Diese holländischen Aktivitäten wurden in Deutschland aufmerksam verfolgt.

Autor(en): I.S.-L.T.L.

Anmerkungen

1 Der Liberale Friedrich List (1789-1846) war Volkswirtschaftler und Pionier für ein einheitliches Zollgebiet sowie Eisenbahnnetz in Deutschland. Er ist auch für die PR-Geschichte wichtig (Kunczik 1997, S. 185ff.). Vgl. auch unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_List

2 Georg von Cotta (1796-1863) war zunächst Diplomat, ehe er als Redakteur und Verleger die deutsche Verlags- und Mediengeschichte mitprägte. Vgl. auch unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_von_Cotta

3 Vgl. Kunczik 1997, S. 186; Lerg 1957, S. 347. Kunczik verweist auf Lenz, F.: Friedrich List als politischer Publizist. In: Zeitschrift für Politik. 3/1956. S. 240.

4 Mast/Fiedler 2004, S. 12.

5 Janson 2012.

6 Vgl. http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Zentralbibliothek_Der_Saarbergwerke_AG

7 Vgl. u. a. Lerg 1957, S. 347. Laut Königlicher Bibliothek der Niederlande soll es sich sogar um die älteste Betriebszeitung der Welt handeln. Vgl.: http://www.kb.nl/en/web-exhibitions/style-acquisitions-1991-2008/de-fabrieksbode ; http://www.kb.nl/nieuws/nieuwsarchief-2001/kb-ontvangt-complete-editie-oudste-bedrijfsblad-ter- ; http://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_van_Marken ; http://de.wikipedia.org/wiki/Agneta_Matthes