„Public Relations“ in der NS-Zeit (I)

Aufsätze in Fachzeitschriften über USA-Erfahrungen 1937/38

Abb.: Faksimile der Deutschen Werbung von 1937 mit dem Titel des Hundhausen-Beitrages.

Carl Hundhausen berichtete 1937 (Nr. 19, S. 1054) in der Zeitschrift Deutsche Werbung über einen „Reklamekongress für Werbefachleute der Banken in USA“ vom 13. bis 16. September 1937 und verwendete dabei in Titel und Text den Begriff Public Relations.1 Dies galt lange Zeit als erste Begriffsverwendung von PR in Deutschland.

Hundhausens begriffliche Pionierrolle schien noch dadurch untermauert, dass er publizistisch „nachlegte“: 1938 (Nr. 1, S. 48-61) schrieb er in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft einen Beitrag über Public Relations. Der Aufsatz wendet sich wiederum primär den USA zu und ist in folgende „fragende“ Abschnitte gegliedert: Public Relations – ein wirtschaftssoziologisches Problem?, – eine Frage der Menschenführung?, – eine Frage betriebswirtschaftlicher Organisation?, – ein Ausweg?2

Auch in der Zeit des Nationalsozialismus war Hundhausen nicht der Einzige, dem es vorbehalten war, den Begriff in der Fachpresse zu gebrauchen. Wenige Monate vor Hundhausen bemerkte die Zeitschrift Seidels Reklame / Werben und Verkaufen 1937 ebenfalls etwas „Neues“ in den USA. Unter der Überschrift Vorausschauende Absatzwirtschaft erschienen zwei kleine Notizen:

  1. „Zum Thema ‚Public Relations‘ ist interessant, dass die Colgate Palmolive-Peet-Corporation vier Kaufleute mit allgemeinem Ansehen sucht, um die Interessen der Aktionäre (…) unter dem großen Käuferpublikum (…) innerhalb der Firma zu vertreten (…)“ (Nr. 7, S. 234)
  2. „Wie einst das geheimnisvolle Wort ‚Service‘ (…), spielt heute der Begriff der ‚Public Relations‘ (Verbundenheit mit dem Publikum) eine große Rolle und es ist wirklich an der Zeit, eine engere Verbindung mit der Öffentlichkeit herzustellen (…)“

Ursachen der Beschäftigung mit PR

Alle vorstehenden Aussagen der Jahre 1937/38 über PR in den USA erfolgten im Kontext von Werbung und – wie man heute sagen würde – Marketing, erspürten aber eine höhere Diskussionsintensität um Kommunikation von Unternehmen und eine graduell, aber nicht grundsätzlich neue Qualität von PR. Diese historische Situation brachte auch die Überlegungen von Hans Domizlaff und Hanns W. Brose über den Unterschied (moderner) Werbung zur (alten Reklame) bzw. über Markentechnik hervor.3

Die Ursache für das „Neue“ in der Situation sah Hundhausen in der „gegenwärtige(n) soziale(n) Unruhe (social unrest)“, also in einer (Vertrauens-) Krise des marktwirtschaftlichen Systems (Stichwort Weltwirtschaftskrise, Depression).4 Diese führe bei allen Akteuren zum Bedürfnis nach mehr „Sicherheit“ und insbesondere bei den Unternehmen nach „Good Will“ in der öffentlichen Meinung, so Hundhausen 1938. Eine autoritäre Lösung der Konflikte und Vertrauensprobleme – hier dachte Hundhausen wohl an seine seit 1933 diktatorisch geführte Heimat Deutsches Reich – sei aber auf Grund des Einflusses der öffentlichen Meinung – hier konnten nur die demokratischen USA gemeint sein – nicht möglich.

Aus diesem Dilemma sucht nun (in den USA – T. L.) jede Gruppe ihren eigenen Weg, jede Gruppe versucht eigene Mittel anzuwenden. Soweit aber Banken, Industrieunternehmungen und Eisenbahnen in Frage kommen, versuchen sie, die bisher Millionen und aber Millionen für Werbung (advertising) ausgegeben haben, ein neues Mittel: Public Relations Policy. Es ist aber kein neues Mittel, es ist nur eine Verlagerung des Akzents werblicher Äußerungen. Von der Behauptung geht man über zur Erklärung. Von der einfachen Mitteilung, von der bloßen Ankündigung geht man bewusst über zur Werbung um das Verständnis für innere, oft verwickelte Zusammenhänge wirtschaftlicher Dinge.

(Hundhausen 1938, S. 50)

Indem er PR zum einen stark auf die USA bezog und ihr zugleich das grundsätzlich Neue absprach, ließ Hundhausen mögliche Schlussfolgerungen für Deutschland in der Schwebe.

Wenn man diese Fülle von Überlegungen betrachtet, dann kann man nicht gerade sagen, dass sie neu sind. Man kann auch nicht gerade sagen, dass sie für die deutschen Industrieunternehmungen, die ja alle Werbeabteilungen, Pressebüros, literarische Büros oder besondere Mitarbeiter haben, neu sind. Neu ist nur die isolierte Fragestellung überhaupt. Die Heraushebung einer einzigen Funktion und Aufgabe der Werbung, ja ihre zentrale Überordnung. Unbedingt neu aber ist die Ursache, aus der heraus alles dies geschieht; ferner der Anlass zu dieser ernsthaften und über das ganze Land reichenden Diskussion.

(Hundhausen 1938, S. 60)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. auch Liebert 2003, S. 133.

2 Vgl. auch Liebert 2003, S. 133.

3 Dazu Liebert 2003, S. 104f.

4 Vgl. auch -ch. (1940). Warum die Krise von 1929ff. erst 1937/38 zum Aufschwung der PR-Diskussion in den USA führte, dazu Argumentationen aus der Literatur bei Liebert 2003, S. 103.