Berliner Pressekonferenz während der Weimarer Republik
Am 9. November 1918 war im deutschen Kaiserreich die politische Lage so angespannt, dass der Reichskanzler Prinz Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers Wilhelm II. zur Beruhigung der Massen bekannt gab. Noch am selben Tag rief Philipp Scheidemann die deutsche Republik aus. Ebenfalls am selben Tag fand die erste Berliner Pressekonferenz statt.
Von nun an trafen sich die Journalisten drei Mal die Woche mit den Regierungsvertretern jeweils um 12 Uhr im Palais Leopold, um die Berliner Pressekonferenz abzuhalten. Im Gegensatz zu den Kriegspressekonferenzen wurde die Berliner Pressekonferenz nicht mehr von der Regierung veranstaltet, sondern von der Presse selbst. Ein Ausschuss von Pressevertretern lud die gewünschten Personen ein und wählte einen Vorsitzenden aus den eigenen Reihen.1
Ständige Gäste der Pressekonferenzen waren der Pressechef,2 der Leiter des Inlandsreferats der Presseabteilung der Reichsregierung, die Reichsminister und andere Regierungs- und Behördenvertreter. Anfangs konnten die 50 bis 150 Journalisten ohne Formalitäten an den Konferenzen teilnehmen, später mussten sie jedoch einen Teilnahmeantrag stellen, der vom Ausschuss der Pressekonferenz bearbeitet wurde.
… und Presseempfang sowie Pressetee
Da die Regierung ihre Macht und ihren Einfluss auf die Presse schwinden sah, führte sie im Februar 1919 den Presseempfang ein, der sich inhaltlich nicht von den Berliner Pressekonferenzen unterschied. Aber die Regierung entkam so ihrer Gastrolle und wurde selbst zum Gastgeber, wie es bei den Kriegspressekonferenzen vor 1918 üblich gewesen war. Ab November 1926 gab es zusätzlich einmal im Monat einen „politischen Abend für die deutsche Presse“. Über diese informellen Abende, bei denen zwanglose Unterhaltungen das gegenseitige Kennenlernen fördern sollten, durfte nicht berichtet werden, und über die Einladung der Gäste entschied der Ausschuss der Pressekonferenz zusammen mit der Presseabteilung der Reichsregierung. Für ausländische Journalisten wurde in der Weimarer Republik seit 1924 eine eigene Pressekonferenz veranstaltet: jeden Freitag veranstaltete die Regierung für sie den „Pressetee“.
Die Berliner Pressekonferenzen bildeten einen wichtigen Gegenpol zu den von Regierungsseite abgehaltenen Informationsveranstaltungen und waren das wichtigste Instrument des Pressechefs, um an die Presse heranzutreten.3
Anmerkungen
1 Nach dem verlorenen Krieg und der Revolution mussten sich die Journalisten, die an den Kriegspressekonferenzen teilgenommen hatten, kritisch mit ihrer eigenen Rolle beschäftigen. Vermutlich deshalb bestand nach Einführung der Demokratie ein starkes Bedürfnis der Journalisten, sich von einer – auch demokratischen – Regierung deutlich abzugrenzen. Dazu Krüger 2005, S. 25.
2 Erster Reichspressechef war Ulrich Rauscher (vom 12.12.1918 bis 24.7.1920). Ein späterer Pressechef war Otto Kiep (16.1.1925-4.11.1926). Walter Zechlin übte am längsten dieses Amt aus, vom 4.11.1926 bis 1.6.1932. Zu allen neun Pressechefs „unter zwölf Reichskanzlern und einundzwanzig Kabinetten“ siehe bei Kunczik 1993, S. 166-169. Der Begriff Reichspressechef war zwar nicht amtlich, aber üblich. Eigentlich handelte es sich, so Kunczik nach Spiecker, um den Chef der Presseabteilung der Reichsregierung (S. 167). (T.L.)
3 Nach: Zechlin 1956, S. 13 und 20; Bauer 1962, S. 53ff. und 104; Koszyk 1972, S. 112; Krüger 2005, S. 25.