Bismarcks Grundauffassungen

Verhältnis zu Presse und öffentlicher Meinung

Abb.: Otto von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalstabschef Helmuth von Moltke (von links nach rechts) 1863. Quelle: Stein, Walter (Hrsg.): Bismarck. Des eisernen Kanzlers Leben in annähernd 200 seltenen Bildern nebst einer Einführung. Siegen/Leipzig: Montanus, 1915 / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Bismarck war in erster Linie Machtpolitiker, der Debatte, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit dieser Eigenschaft unterordnete. „Bismarck führte mit rücksichtsloser Energie den Kampf gegen das Parlament. In einer der 1863 geführten Budget-Debatten äußerte Bismarck: ‚Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden (…), sondern durch Blut und Eisen.‘ (…). Außenpolitisch war Bismarck der kalt kalkulierende Staatsmann.“ (Naumann 2008, S. 43)

Er verglich 1846 „sein Verhältnis zur öffentlichen Meinung mit der Beziehung von Seeleuten zur Macht der Elemente, ‚indem es sich nicht den Winden und Strömungen hingibt und auf diese Weise herrenlos auf der See treibt – denn auf diese Weise wird das Schiff nie den rettenden Port erreichen’“ (Kunczik 1997, S. 89, unter Berufung auf Bauer 1930, S, 331).

Bismarck verstand die Presse als Mittel, als Instrument seiner Politik und vermochte dieses „nach dem Urteil vieler, meisterhaft (…) zu benutzen“. Dies schloss Erkaufen oder Belohnen von Diensten bzw. Gefolgschaft ein, „selbstständige Mitarbeit an der Politik des Reiches“ gestand er den Medien nicht zu (Sänger 1966, S. 15). Auch war es nicht seine Absicht, „das Volk mit Hilfe der Informationen politisch verständig und kritisch zu machen“.

Instrumentalisierung der Presse für die Politik: von der kurzen zur langen Leine

Wenn es für seine Politik als Kanzler gegenüber dem Monarchen oder Widersachern zweckmäßig war, setzte Bismarck durchaus auch auf das Mittel öffentlich gemachter bzw. inszenierter Kritik. Allerdings schien ihm das nicht ohne die Kontrolle und Lenkung der Presse denkbar:

Die Kritik kann nur geübt werden durch eine freie Presse und durch Parlamente im modernen Sinne. Beide Corrective können ihre Wirkung durch Missbrauch abstumpfen und schließlich verlieren. Dies zu verhüten, ist eine der Aufgaben erhaltener Politik, die sich ohne Bekämpfung von Parlament und Presse nicht lösen lässt.

(Zit. nach: Sänger 1966, S. 16)

Unabhängig von situationsbedingten Nützlichkeitserwägungen ist bei Bismarck auch historisch-zeitlich ein Methodenwandel im Verhältnis zur Presse zu erkennen. Tendenziell ist wohl folgender pressehistorischer DDR-Darstellung zuzustimmen: „Bismarck war in seiner Pressepolitik in den ersten Jahren nach der Reichsgründung zunächst bestrebt, jene administrative Beeinflussung der Presse durch die junkerliche Staatsspitze, die er bislang in Preußen praktiziert hatte, nun auf ganz Deutschland auszudehnen. In größerem Rahmen als zuvor baute Bismarck staatliche Pressestellen aus, und die Korrumpierung der Presse erreichte nie gekannte Ausmaße.“ In den 1880er-Jahren hingegen lockerte Bismarck „die unmittelbare Beeinflussung der bürgerlichen Presse wesentlich“, was die zunehmende Unabhängigkeit der „kapitalistischen Presse“ von der Regierung in den 1890er-Jahren vorbereitete. (o. V. 1980, S. 7 und 89f.)

Unter dem zunehmenden Eindruck der Rolle öffentlicher Meinung, gerade auch innenpolitisch, so beim schließlichen Scheitern des Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie 1890, sowie nach seiner Entlassung als Reichskanzler fand Bismarck auch zu verständigen, versöhnlichen Worten:

Wir halten es für durchaus notwendig, dass, wenn die wirtschaftliche Lage durch einschneidende Maßnahmen modifiziert werden soll, die Intentionen der Regierung vorher in der weitesten Öffentlichkeit besprochen werden, sowohl durch die Presse, wie durch die beteiligten Korporationen und den Staatsrat, bevor die Regierung definitive Stellung nimmt.

(Bismarck am 26. Mai 1891 in den „Hamburger Nachrichten“. Zit. nach: Sänger 1966, S. 16)

Indienstnahme der Presse für die Außenpolitik

1854 schrieb Bismarck über die außenpolitische Instrumentalisierung der preußischen Presse:

(…) ich würde mit unnachsichtiger Strenge darauf halten, dass die auswärtige Politik der Regierung von jedem preußischen Blatte nicht nur nicht angegriffen, sondern lebhaft unterstützt werden muss, und jede Zeitung, die mit einem Komma dawiderhandelt, ohne Federlesen unterdrücken (…).

(Zit. nach: Sänger 1966, S. 16)

Jede außenpolitische Aktion wurde durch publizistische Maßnahmen begleitet, häufig aber getarnt. Dabei rückten (Geheim-) „Diplomatie und Presse“ so dicht beieinander, dass sie „als zwei Gleise betrachtet wurden, die zum selben Ziel führten“, zitiert Kunczik (1997, S. 94) Schöneberger (1981, S. 21).

(…) im Bereich der außenpolitischen Propaganda agierte Bismarck sehr zurückhaltend, um eine Bloßstellung der preußischen Regierung zu vermeiden.

(Piereth 1994, S. 41)

Dies galt allerdings nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen. Zu Bismarcks Raffinesse gehörte es u. a., einen „Pressesturm“ mit außenpolitischer Thematik zu entfachen, um seinen eigenen Vorgesetzten, den deutschen Kaiser, in eine bestimmte Richtung zu drängen. Bernhard Fürst von Bülow (1849-1929), Pressearbeiter im Auswärtigen Amt, plauderte über eine Kampagne von 1879:

Der Zweck des ganzen Presselärms war nicht, die Russen einzuschüchtern oder die Österreicher zu erfreuen. 
Der alte Kaiser sollte den Eindruck gewinnen, dass das ganze Land, von der Maas 
bis an die Memel, das Bündnis mit Österreich gutheiße und wünsche. (…) Bei großer Weisheit, bei gesundem Menschenverstand, bei Klugheit und 
Scharfsinn in vielen Fragen stand Wilhelm I. dem modernen Pressetreiben und 
publizistischen Unfug beinahe naiv gegenüber. Er glaubte wirklich, die Stimme 
des Landes zu hören, wenn die von uns fabrizierten Korrespondenzen ihm vorgelegt wurden.

(Zit. nach Kunczik 1997, S. 94)

Autor(en): A.-M.G.T.L.