Einige Vorformen heutiger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit II

Eigenpublikationen

Das Literarische Büro seit 1860 verfasste auch Flugschriften, wichtige Themen waren die Schleswig-Holstein-Frage (sogar in englischer Sprache und nach Großbritannien versandt), die Heeresreform (insbesondere für Abgeordnete und Meinungsbildner) und die Wahlen von 1862 (als Beilage für Zeitungen). Dabei wurde im Wahlkampf Partei ergriffen, so mit 72.000 Exemplaren von „Wen sollen wir wählen?“ und 29.500 von „Wie besiegt man die Kreuzzeitungspartei?“.1

Symbolhaltige, inszenierte Veranstaltungen

Abb.: Gemälde von Anton von Werner (1885): Proklamation Kaiser Wilhelms I. (Gründung des Deutschen Reichs) am 18. Januar 1871 u. a. mit Bismarck (in weißer Kürassieruniform) im Spiegelsaal von Versailles. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Vorbereitung und Proklamation Wilhelms I. zum deutschen Kaiser und damit die Reichsgründung im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles (bei Paris) am 18. Januar 1871 sind voller Symbole. Schon die Wahl des Ortes, im gerade besiegten Frankreich, konnte seine aktuelle und historische Langzeit-Wirkung auf ganz Europa nicht verfehlen. Dafür – allerdings nicht für die Einschätzung des Inszenierungsgrades – ist es zweitrangig, ob dieser Platz primär strategisch-bewusst oder pragmatisch – „weil sich der Kaiser als formeller Oberbefehlshaber der deutschen Truppen (…) damals in Frankreich aufhielt“ (Naumann 2008, S. 54) – gewählt wurde.

„Bismarck verlas die Kaiserproklamation“. Erkennbar bei der Reichsgründung ist durchaus, dass auch Kompromisse „inszeniert“ wurden, um bei klaren Machtverhältnissen trotzdem inneren Frieden zu gewährleisten. Zum Beispiel:

a) „Das Volk war an dessen Zustandekommen nicht beteiligt worden (…), befürwortete jedoch zum überwiegenden Teil diese Reichsgründung. Indem die Einheit Deutschlands mit dem Kaisertum verbunden wurde, hatte man an den Verfassungsentwurf der Frankfurter Nationalversammlung angeknüpft.“ Am 3. März 1871 fanden Reichstagswahlen statt. (Naumann 2008, S. 54)

b) Im Vorfeld waren Bayern und Württemberg „größere Zugeständnisse gemacht worden“. Das Antragen der Kaiserwürde an Preußenkönig Wilhelm I. erfolgte durch süddeutsche Akteure. (Naumann 2008, S. 54)

Die Strategien und Praktiken der Inszenierung und Profilierung des deutschen Kaisers werden in einem gesonderten Beitrag behandelt.

Autor(en): A.-M.G.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Wappler 1935, S. 88.