Bismarcks amtlicher Presseapparat: Überblick und Literarisches Büro

Einführung

Der „verhältnismäßig kleine staatliche Presselenkungs-Apparat“ setzte sich vor allem aus dem Literarischen Büro beim preußischen Innenministerium und aus dem 1871 geschaffenen Pressedezernat des Auswärtigen Amtes des Reiches zusammen. Letzteres klingt größer, bedeutender als es war – „als Ein-Mann-Betrieb“ – und erlangte erst nach Bismarcks Abtritt von der politischen Bühne unter Otto Hammann „eigenständige Bedeutung“ (Morsey 1956, S. 177).

Das Literarische Büro ist auch Gegenstand eines eigenständigen Beitrags im PR-Museum.

Personell gehörten neben Bismarck verschiedene Mitarbeiter bzw. „Adjutanten“ als „Pressbanditen“ (Selbstbezeichnung eines Tätigen) zum Kreis der Akteure: Lothar Bucher, Moritz Busch, Fritz von Hollstein, Christoph Tiedemann, Graf Rantzau, Franz von Rottenburg, Constantin Rößler … (Morsey 1956, S. 177).

Literarisches Büro beim preußischen Innenministerium

Das Literarische Büro zunächst des königlichen Staatsministeriums, eine trotz ggf. wechselnder Bezeichnungen schon seit Jahrzehnten übliche Einrichtung, war im Februar 1860 – also lange vor Bismarcks Antritt als preußischer Ministerpräsident – aus der Zentralstelle für Presseangelegenheiten hervorgegangen.1 Diese begrifflichen und organisatorischen Veränderungen – wie auch eine personelle und finanzielle Verkleinerung – werden von Piereth (1994, S. 37) als Ausdruck zeitweiliger Liberalisierung preußischer Pressepolitik gewertet. Ähnlich sieht dies auch Fischer (1981, S. 14f.), der aber noch auf Ressortstreitigkeiten zwischen verschiedenen Ministerien verweist, die alle „faktisch (…) eine eigene Pressepolitik“ betrieben.

1862 – noch vor Bismarcks Regiment – wurde das Literarische Büro dem preußischen Innenministerium zugeordnet.2 Die liberalen und ressortegoistischen Tendenzen traten bald in den Schatten der persönlichen Ambitionen und Vorstellungen von Bismarck. Der frisch gekürte preußische Ministerpräsident stand der in Büros institutionalisierten Form von amtlicher Pressearbeit „sehr zurückhaltend gegenüber (…)“. Er unterwarf das Literarische Büro 1862, während des Verfassungskonfliktes, wieder „primär repressiven Zwecken“ (Piereth 1994, S. 37) und degradierte es damit zugleich.

Abb.: Leo von Caprivi (1880). Quelle: ursprünglich Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild (Bild 183), jetzt: Bundesarchiv, Bild 183-R09316 / CC-BY-SA 3.0 / Wikimedia Commons, Attribution-Share Alike 3.0 Germany license https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Spätestens seit 1866 stand es unter Leitung von Oberregierungsrat Ludwig Hahn. Auch nach 1871, der Gründung des deutschen Kaiserreiches, arbeitete das preußische Literarische Büro weiter. War es zunächst nur für „preußische und Bundesangelegenheiten zuständig“, erhielt es „später auch direkte Instruktionen aus der Reichskanzlei“ (Sänger 1866, S. 15).

Ausblick auf die Zeit nach Bismarck

1890 und 1894 bedeuteten für das Literarische Büro einen „doppelten“ großen Bruch: Leo Graf von Caprivi wurde 1890 Bismarcks Nachfolger als Reichskanzler. Er glaubte, „einer Pressepolitik und Beziehungen zur Presse nicht zu bedürfen“. Einzelne Behörden und Minister „entschieden nach eigenem Gutdünken, was, wann, wie und wem sie Nachrichten gaben“. (Sänger 1966, S. 16)

1894 wurde Otto Hammann Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes.3 Danach entwickelte sich das Auswärtige Amt zur größten Konkurrenz des Literarischen Büros.

Autor(en): A.-M.G.C.G.K.Z.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Sänger 1866, S. 15; Morsey 1956, S. 177.
2 Vgl. auch Koszyk 1966, S. 222.
3 U. a. Kunczik 1997, S. 99ff.