Einige Vorformen heutiger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit I

Vorbemerkungen

Abb.: Otto Fürst von Bismarck, Öl-Gemälde von Franz von Lenbach (1836-1904), 1894. Quelle: Privatsammlung, Baden-Württemberg (1949–1961 als Leihgabe in der Staatsgalerie Stuttgart); Privatsammlung, Norddeutschland. Villa Grisebach Aukt. / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Meist wird die staatliche Pressetätigkeit Bismarcks negativ besetzt, häufig explizit mit aktiver pressepolitischer Lenkung, subtiler Beeinflussung oder Manipulation in Verbindung gebracht.

Dabei kann der Reichskanzler in vielerlei Hinsicht auch als Vertreter eines modernen Umgangs mit der Presse bezeichnet werden. Mit seinen zahlreichen Korrespondenzen, vor allem der Provinzial-Korrespondenz und den Neuesten Mitteilungen, schuf er Organe, die der heutigen Presseinformation (bzw. ihrer gebündelten Verbreitung als Pressedienst) sehr ähneln. Sie dienten der Presse als Informationsangebot, das diese nutzen konnte oder auch nicht.

Auch Vorstufen der Pressekonferenzen, Kamin- und Hintergrundgespräche mit Journalisten finden sich in Bismarcks PR-Repertoire, der ein enges Verhältnis zu – wenn auch nur ihm wohlgesonnenen – Journalisten pflegte.1

Korrespondenzen: Provinzial-Korrespondenz

Korrespondenzbüros gab es in Deutschland seit den 1830er-Jahren: Korrespondenzen konnten sowohl Ergebnis freier, journalistischer Tätigkeit als auch von interessenbestimmter Pressearbeit sein (Goros 1998, S. 61).

Bei den lithografierten Korrespondenzen Preußens „handelte es sich um je nach Zielgruppe unterschiedlich aufgebaute, meist wöchentlich erscheinende Sammlungen amtlicher Nachrichten und Kommentare, die von unabhängigen Blättern als Informationsquelle verwendet und – je nach Gusto – ganz oder teilweise veröffentlicht werden konnten“ (Piereth 1994, S. 40).

1863 schuf Bismarck die Provinzial-Korrespondenz, „die 1864 eine Auflage von 29.000 Exemplaren hatte“ (Piereth 1994, S. 40). Sie wurde von Ludwig Hahn, dem späteren Leiter des Literarischen Büros, verantwortet und erschien bis 1884.2 Die Korrespondenz transportierte agenturähnlich amtliche Dokumente und Verlautbarungen, veröffentlichte politische Parlamentsreden und ergriff dabei stets für Bismarck und seine Positionen Partei. Als Verbreitungsmedium der Korrespondenz-Inhalte eigneten sich die mehr als 100 Kreisblätter, die in ganz Preußen meist einmal wöchentlich erschienen und traditionell eher unpolitisch waren. Vor allem, da sie insgesamt häufiger und intensiver rezipiert wurden, kann für sie „mit Recht ein höherer Wirkungsgrad angenommen werden“. (Sösemann 1992, S. 292; vgl. auch Wilke 2000, S. 236)

Diese Korrespondenz – und die preußischen Kreisblätter – zielten auf die „Fläche“, die „Provinz“. Bismarcks Kalkül bestand darin, die „Unterstützung der seiner Ansicht nach prinzipiell systemtreuen, aber politisch passiven Landbevölkerung zu gewinnen“ (Piereth 1994, S. 41). Die städtisch-urbane Einwohnerschaft war deutlich schwieriger zu gewinnen.3

Alles in allem waren die Korrespondenzen der Regierung wohl wirksam, wie aus einer Äußerung des Zentrumsführers Windthorst vom November 1872 zu schließen ist: „‘Es ist in Deutschland nahezu daran, dass das Pressegewerbe in der Hand der Regierung monopolisiert wird.‘ Er fügte hinzu, dass zahlreiche Zeitungen der Regierungspressestelle ständig ganze Spalten offen hielten. Die Pressestellen lieferten ihre Korrespondenzartikel sehr billig, und mit sanftem oder starken Druck wurden sie sogar der links-liberalen Presse aufgezwungen.“ (Zit. nach: o. V. 1980, S. 8)

Korrespondenzen: Neueste Mitteilungen

Obwohl sich der Kanzler in den Folgejahren pressepolitisch gemäßigter zeigte und damit liberalen Initiativen entgegenkam, regte sich in der Öffentlichkeit nach dem Abklingen der ersten Euphorie in Folge von Deutsch-Französischem Krieg und Reichsgründung erneut starker Protest. Grund war die offensichtliche Bevorzugung seiner offiziösen Presse. Politische Gegner Bismarcks kritisierten zunehmend, dass es offiziellen bzw. offiziösen Publikationen wie der Provinzial-Korrespondenz oder der regierungsnahen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vorbehalten blieb, amtliche Bekanntmachungen und die Meinung der Regierung zu drucken.4

Um das Misstrauen der Öffentlichkeit gegen die Regierungspresse nicht noch weiter anzuheizen, distanzierte sich Bismarck immer häufiger vom offiziösen Pressewesen. In seiner Reichstagsrede vom 9. Februar 1876 erklärte er dazu, „dass es Reptile des Auswärtigen Amts in dem Sinne, wie Gegner den Ausdruck gebrauchen, absolut nicht gibt“ (Bismarck 1876: o. S.).

Die Gründung der Korrespondenz Neueste Mitteilungen, die dem Innenminister Fürst Robert von Puttkamer unterstand, schuf Abhilfe. Im Ansatz folgte das Konzept dem Vorbild der Provinzial-Korrespondenz: Über die Einspeisung regierungsfreundlicher Themen, Artikel und Kommentare in die deutsche Kreisblattpresse sollte die ländliche Bevölkerung für Bismarcks Politik gewonnen werden.

Anders als es bei der Provinzial-Korrespondenz der Fall war, spielten sich die Geschäfte der Neuesten Mitteilungen aber „im Verborgenen ab, nur auf diese Weise konnte sie vor der Öffentlichkeit das Bild der kleinen, privaten und unbedeutenden Korrespondenz abgeben, das ihr zugedacht und für ihre Wirkung als unerlässlich angesehen worden war“. Diese Doppelstruktur erwies sich in den Folgejahren als sehr erfolgreich. (Stöber 1996, S. 425 und 44)

Autor(en): A.-M.G.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Sösemann 1992, S. 291.
2 Vgl. Stöber 1997, S. 200.
3 Vgl. Wilke 2000, S. 236 und 222.
4 Vgl. Koszyk 1996, S. 232f.. Stöber 1996, S. 426. Wilke 2000, S. 235.