Bismarcks amtlicher Presseapparat: Pressebüro beim Außenamt

Auswärtiges Amt gewann an Bedeutung

Das preußische Außenministerium, das seit 1728 als eigene Zentralbehörde bestand, ging 1870 auf den Norddeutschen Bund über. Im preußischen Außenministerium war seit 1863 der „geheime expedierende Sekretär“ Dr. Metzler „mit der Bearbeitung von Presseangelegenheiten beschäftigt“ und stand dabei „in unmittelbarer Verbindung“ mit dem Literarischen Büro (Morsey 1956, S. 177). Um die größeren Aufgaben zu bewältigen, wollte Bismarck Metzler einen zweiten Mann zur Seite stellen.

Die Begründung dafür formulierte Legationsrat Dr. Hepke1 in einer kurzen Denkschrift, die aus heutiger Sicht als „zusammenfassende Darstellung der amtlichen Presselenkung im Zeitalter des Norddeutschen Bundes“ gelten kann. Hepke gliederte die Pressearbeit des Auswärtigen Amtes in vier Bereiche: I. „Verfassen von Zeitungsartikeln in unmittelbarem Auftrage des H(errn) Chefs (= Bismarck) (…). II. „(…) die Aufzeichnung der Notizen (aus den Abteilungen des Amtes – T.L.) (… und) die Durchsicht (von Presseorganen – T.L.) (…). III. Informiert und mit dem gesichteten Material versehen werden auf dem Auswärtigen Amt täglich: a) ein Mitglied des Literarischen Büros (… es folgen weitere Adressaten insbesondere bei Zeitungen und Korrespondenzen – T.L.). IV. Die Kenntnisnahme von den neuesten Büchern und Flugschriften auf dem Gebiete der politischen und historischen Literatur (…).“ (Morsey 1956, S. 178f.; vgl. auch Kunczik 1997, S. 90f.)

Personalia

Nachdem Bismarck Hepke „grünes Licht“ gegeben hatte, wurde auf Empfehlung von Metzler der Leipziger Literat Dr. Moritz Busch als zusätzliche Arbeitskraft für Presseangelegenheiten im Februar 1870 in das Amt geholt. Busch wirkte – wie Bismarck einmal titulierte – als „Hofschriftsteller des Auswärtigen Amtes“ formell bis 1873, vor allem während des Deutsch-Französischen Krieges.

Abb.: Porträtfotografie 1867 von Ludwig Aegidi (1825-1901). Foto: Hermann Günther. Quelle: Haunfelder, Bernd; Pollmann, Klaus Erich (Bearb.): Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870. Historische Photographien und biographisches Handbuch. Düsseldorf: Droste Verlag, 1989, S. 53 / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Seine offiziell-amtliche Bedeutung sank, als „auf Betreiben von Keudell der mit diesem verschwägerte Bonner Staatsrechtler Prof. Ludwig Karl Aegidi als Pressereferent in das Auswärtige Amt eintrat und in dieser Stellung bis 1877 verblieb.“ Allerdings galt Busch auch nach 1873 weiter als „einer der meistbeschäftigten ‚Offiziösen’ des Reichskanzlers“. (Morsey 1956, S. 180)

Nach Kuncziks (1997, S. 96) Darstellung leitete Aegidi das Pressereferat bereits ab Frühjahr 1871, also kurz nach der Reichsgründung. Der Referent war der politischen Abteilung zugeordnet, hatte aber direktes Vortragsrecht beim Reichskanzler und beim Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Nach Aegidis Aussagen musste er bei Null und mit sehr bescheidener Ausstattung anfangen.

Über die Vorstellungen seines Chefs Bismarck von der Pressearbeit schrieb Aegidi (1898, S. 108):

Der leitende Staatsmann hat sich mit der öffentlichen Meinung ins Benehmen zu setzen – durch die Presse. Mit ihr regelmäßig zu verkehren, dazu fehlt dem mit Geschäften überbürdeten Reichskanzler Zeit und Kraft. Er bedarf dafür eines Sprachrohrs, eines Vermittlers seiner Gesamtanschauung mit der Presse, der gleichsam bei der öffentlichen Meinung beglaubigt wäre. Darin lag Zweck und Aufgabe des Preßdecernats. Dieser Vertrauensmann musste jederzeit in Stand gesetzt sein, das zu wissen, worauf es ankam. Wenn daher den Decernenten für Oesterreich-Ungarn der Kanzler von dem in Kenntnis setzte, was unsre Beziehungen zu dem Kaiserstaat betraf, so hatte er den Decernenten für die Presse von alle dem zu unterrichten, was überhaupt seinerzeit zur Sprache kam.

(Zit. nach Kunczik 1997, S. 97)

Entwicklung ab 1878: Wandel des Vorgehens

Von 1878 bis 1892 übernahm das Amt Rudolf Lindau, der vorher, seit 1873, Presseattaché an der Pariser Botschaft gewesen war.2

In jener Zeit musste Bismarck sein Vorgehen gegenüber der Presse ändern. Da Bismarcks offiziöse Presseverbindungen bloßgestellt worden waren, musste offiziell davon Abstand genommen werden und die Beamten selber Artikel schreiben. In den 1880er-Jahren konnte der deutsche Reichskanzler nur „mit einem kleinen, ihm persönlich ergebenen Team von Mitar-beitern der Politischen Abteilung – in einer Art erweitertem Familienbetrieb – eine weitgehend von ihm allein geleitete Einwirkung auf die auswärtige Presse – über die deutschen Zeitungen – ausüben.“ (Naujoks 1972, S 344; zit. nach Kunczik 1997, S. 98)

Ausblick auf die Zeit nach Bismarck

Nachfolger Lindaus ab 1892 „wurde Geheimrat Constantin Rößler, der die laufenden Geschäfte zu besorgen hatte“. Die oberste Leitung des Pressewesens habe von 1888 bis 1894 bei Legationsrat Alfred von Kiderlen-Wächter gelegen, schreibt Kunczik (1993, S. 98) unter Berufung auf Groth (1929, S. 218).

1894 wurde Otto Hammann Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes.3 Hammanns Aufgabe war es, für eine zentrale Pressepolitik der Regierung zu sorgen. Er baute die Pressestelle des Auswärtigen Amtes so stark aus, dass sie zur einzigen offiziellen Informationsquelle für die Presse wurde. Über Hammanns Büro liefen von da an die gesamten offiziellen Beziehungen zur Presse.

Autor(en): A.-M.G.C.G.K.Z.T.L.

Anmerkungen

1 Hepke hatte im Auftrage Bismarcks im Herbst 1866 einen Entwurf für die Norddeutsche Bundesverfassung vorgelegt. Vgl. Morsey 1956, S. 178.
2 Vgl. Kunczik 1997, S. 97.
3 U. a. Kunczik 1997, S. 99ff.